Warum ich immer noch das Heilige im Alltag suche

Wisst ihr eigentlich, dass dieser kleine Blog, den ich fast jede Woche mit neuen Texten befülle, ein Lebensretter für mich ist? Er zwingt mich zum Hinsetzen, Betrachten, Sortieren, Nachdenken. Und zum Formulieren dessen, was ist. Eine gute Übung, vor allem in diesen Zeiten, die mich hin- und herwerfen wie wütende Wellen. 

Also setze ich mich an diesem Freitagmorgen ein weiteres Mal hin, betrachte, sortiere, denke nach, fische die Formulierungen aus meinen Hirnwindungen. Auch wenn ich doch lieber im Bett läge und mich von düsteren Gedanken zudecken ließe.

Aber auch dieser Tag will begonnen werden. Ich stehe auf, verscheuche die Geister der Nacht, den gestrigen Konflikt mit einer Tochter, das damit zusammenhängende schlechte Gewissen (du hast als Mutter versagt!). Ich streife nur im Vorübergehen die Nachrichten, atme tief durch. Beim Gang in die Küche höre ich ein Plätschern. Um diese Zeit kann noch niemand auf der Toilette sein! Ich öffne vorsichtig die Tür und stehe mit beiden Füßen in einem knöchelhohen Teich. Jemand hat gestern Abend nach dem Händewaschen den Wasserhahn nicht zugedreht (War das vielleicht sogar ich???) Das Waschbecken ist übergelaufen, das Wasser drückt bereits in den anliegenden Raum. Im Wohnzimmer hat jemand das Deckenlicht brennen lassen. (Auch ich? Was ist los mit mir?)

Ich atme ein weiteres Mal tief ein und aus, hege Blitzphantasien über das Auswandern nach Kanada in eine Selbstversorgerhütte am Rande der Zivilisation. (Mit einer Komposttoilette und einer Petroleumlampe wäre dies nicht passiert). 

Ich lege das Malheur trocken. Mache Frühstück und koche Tee. Räume die Spülmaschine aus. Bereite Pausenbrote vor. 

Das hat mich alle Kraft gekostet. Für die restlichen 12 Stunden ist nicht mehr viel übrig. 

Ich fühle mich in die Baby- und Kleinkindjahre zurückversetzt, als ich um 9 Uhr früh bereits so erschöpft war, dass ich mich am liebsten wieder ins Bett gelegt hätte. 

Über Nacht hat es kräftig gestürmt, der Garten ist übersät mit Laub. Wäre Laub eine Währung, müsste ich mir um Altersarmut keine Gedanken machen. Der Boden schmatzt vor Feuchtigkeit. Nachts sind wieder Füchse, Waschbären, Marder und Igel durch den Garten gewandert. Die Stare sind verschwunden. Sie sind auf dem Weg in wärmere Gefilde. Die Blaubeersträucher haben sich in leuchtende Herbstfarben gekleidet. Ein paar einzelne Tomaten hängen noch an den faulenden Trieben. 

Mich zieht es nach draußen. Wenn ich erstmal die Hände in der Erde habe, spüre ich den schweren Felsbroc…

4 Kommentare zu „Warum ich immer noch das Heilige im Alltag suche

  1. Hallo Veronika,
    die beiden Lieder sind wirklich sehr schön.
    Danke, fürs teilen…

    Ich freue mich, dass du einen Therapieplatz gefunden hast. Wenn die Chemie zwischen euch stimmt,
    wirst du dort gute Hilfe erfahren.
    Du bist so wunderbar reflektiert…es wird dich weiter durch diese manchmal dunkle Welt tragen.

    Denke an dich…und bete für dich und deine Familie.
    Susanne

  2. Hallo Veronika,
    in den letzten Wochen bin ich nicht dazu gekommen, Deine Blogeinträge gelesen, weil mein Vater Mitte Oktober plötzlich gestorben ist. Jetzt lese ich sie nach und nach und sie tun mir so gut in dieser Situation, die der Deinen doch so ähnlich ist! Ich bin im Gebet bei Dir und Deiner Familie.

    1. Liebe Ursula, da sitzen wir in einem ähnlichen Boot. Es tut mir von Herzen leid, dass du deinen Vater so plötzlich verloren hast. Ich wünsche dir, dass du dich durch die dunklen Tage hindurchgetragen fühlst.

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