Das große Trotzdem, ein Chai-Rezept und Lebensspender

Ich koche und backe zurzeit mehr als meine Familie essen kann. Hefezopf, Kuchen, Brot, Pizza, Eintöpfe und Chilis und Bulgursalate und Kürbissuppen und Apfel-Crumble ohne Ende. Sie beklagen sich nicht. Es sei denn, ich mache Rote-Beete-Carpaccio. Das muss ich dann leider allein essen, obwohl ich es gar nicht mag.

Das ist die verrückte Sache mit Rote Beete. Ich baue sie jedes Jahr im Garten an, obwohl sie keiner von uns leiden kann. Aber ich mag nun mal ihre Form und Farbe.

Man kann aber tatsächlich lernen, Lebensmittel zu mögen. Ich habe mich vor vielen Jahren dazu gezwungen, so lange Oliven zu verzehren, bis ich meinen inneren Widerstand gegen sie aufgab. Mit Erfolg! Dieser Erfolg ist jedoch bisher bei der Roten Beete ausgeblieben.

Ach, ich schweife ab. Ich wollte dir eigentlich gar nichts über Rote Beete erzählen.

Kochen und Backen sind Bewältigungsstrategien. Oder vielleicht auch ein menschlicher Urinstinkt in Zeiten der Not alles rauszuhauen, was möglich ist. Sowie unsere Hainbuchen im Garten. Sie haben sich in diesem weiteren Dürresommer (und Dürreherbst!) so voller dicker Samentrauben behängt, dass ihre Blätter kaum zu erkennen sind. Nun werfen sie sie ab, der Garten ist übersät mit Hainbuchensamen. Sie sind überall. Auf der Terrasse, im Hof, auf der Straße, in den Beeten, in meinen Haaren. Selbst in der frisch aufgehängten Wäsche verfangen sie sich. Der Baum ist im Stresszustand. Deshalb bildet er Samen, damit der „Nachwuchs“ gesichert ist.

Der Baum will und muss Leben produzieren. Auch und gerade in widrigsten Umständen.

Vielleicht sichere ich instinktiv meinen eigenen Nachwuchs. Wenn ich ihm schon nicht die Trauer und den Schulstress und Teenagernöte und Zukunftsangst abnehmen kann, so sollen sie wenigstens essen können.

Beim Kochen und Backen wandern meine Gedanken immer wieder zu der Sterbewoche meines Vaters. Die Ereignisse laufen vor meinem inneren Auge ab wie ein zu oft gesehener Film. Dabei bleibe ich bei einer Bemerkung meiner älteren Schwester hängen:

Wir werden in liebende Arme hineingeboren und wir sterben in liebende Arme hinein.

Auch wenn der erste Teil der Aussage nicht immer stimmt, so bin ich überzeugt, dass der zweite Teil absolut korrekt ist. Wir sterben in liebende Arme hinein. Ich gebe zu, manchmal überfallen mich leise Zweifel, eine unbestimmte Angst in meinem Bauch, dass ich einer Illusion aufsitze. Aber für mich ist dieser Glaube absolut alternativlos, weil jeder andere Gedanke mich in ein tiefes Loch stürzen lässt.

Dieser Tage lagern sich die Ereignisse in Israel auf meiner Trauer wie eine weitere schwere Sedimentschicht ab. Ich lese hier…

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