Bin ich gescheitert?

Der Sommer ist für sein großes Finale zurückgekehrt.

Gestern habe ich unseren Sitzplatz im Garten gekehrt, ein paar Blumen hingestellt und die Stühle mit Kissen ausgestattet. Dankbar habe ich mich für eine Stunde hingesetzt, den Garten angesehen. Grün ist er wieder geworden. Die Risse im Boden sind verschwunden. Die Bohnen ranken in die Höhe. Die Regenwochen waren purer Segen. Sie haben das Leben zurückgebracht. 

Ein weiterer Pluspunkt des Regens: Ich war nach drinnen verbannt und konnte mich ein paar Kunstprojekten widmen. Während ich am Esstisch saß und mit Linolschnitzmessern hantierte, hörte ich Podcasts. Normalerweise bin ich kein Podcast-Typ. Ich bevorzuge Stille und die Gesellschaft meiner eigenen Gedanken. Aber ich blieb bei der Podcastreihe „Immer besser scheitern“ meiner Freundin Priska hängen. Diese Reihe war für mich so erfrischend wie der Regen für den Garten. Verschiedene Podcastgäste erzählten von ihrem persönlichen Scheitern: Geplatzte Lebensträume, Trennungen, Krankheiten, Versagen.  Und ich fühlte mich gleich weniger allein.

An einem dieser regnerischen Tage flatterte meine erste Honorarabrechnung für mein Buch „What would Grandma do?“  ins Haus. Es war im Februar erschienen und ihm waren anderthalb Jahre intensive Arbeit vorausgegangen. Jedes meiner Bücher ist wie ein Baby, für das ich zärtliche Gefühle hege. Es hinauszuschicken in die Welt fühlt sich jedes Mal wie ein gefährliches Wagnis an. Werden die Menschen freundlich zu meinem Baby sein? Werden sie es mögen? Oder werden sie es zurückweisen? Jede Mutter weiß: Erfährt das eigene Kind Zurückweisung, spürt man dies wie seinen eigenen Schmerz. Ich hege meinen Büchern gegenüber dummerweise einen mütterlichen Beschützerinstinkt. 

Aber zurück zu der Abrechnung, die ich da in den Händen hielt. Begierig riss ich den Umschlag auf und meine Augen scannten Verkaufszahlen und Honorar. Moment mal, ich muss mir die Brille aufsetzen. Haha, weil diese Zahl kann nicht stimmen! Aber auch die Brille half nichts. Da stand wirklich diese unfassbare Zahl. Sie war nicht nur frustrierend, sondern geradezu lachhaft. Ich rechnete meinen ungefähren Stundenlohn aus. Haha! Ich brach in verzweifeltes Gelächter aus. Seit wann ist Schreiben ein Ehrenamt mit Taschengeld (das ich auch noch versteuern muss)? Ich ließ mich zusammen mit der Realität auf den gelben Sessel im Wohnzimmer sinken.  Mein Mann kam, nahm mir den Zettel aus der Hand, rieb sich die Augen und bemerkte: „Ein Ehrenamt mit Taschengeld. Tut mir leid, dass es dieses Mal nicht so gut lief.“  

Ich bin mit dem Buch gescheitert.  

Es ist unfassbar beschämend, sich diese Realität einzugestehen. Und noch beschämender, dies hier öffentlich zu schre…

2 Kommentare zu „Bin ich gescheitert?

  1. Ganz grosses Kino. Danke für deine Ehrlichkeit und deine weisen Worte. Ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass aus unseren Wunden purer Segen fliesst.

  2. Hallo Veronika,
    das tut mir soo leid.
    Zu lesen, wie verletzt du bist.
    Ich lieeebe dein Buch. Ich habe es verschlungen. Es liegt auf meiner Küchenfensterbank.
    Ich kann jeden Tag drauf schauen und wenn ich mag, auch rein schauen.
    Dein Buch gibt mir Heimat und Wärme.
    Ich genieße deine Rezepte, Ideen und Gedanken.
    Hach könnten doch mehrere Menschen, dass gleiche sehen wie ich…
    Susanne

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