Ich bin heute morgen mit einem seltsamen Gefühl aufgestanden, das ich nicht definieren konnte. Habe ich zu wenig geschlafen? Nein. Habe ich gestern zu später Stunde noch den Kühlschrank leergefuttert? Nein. Habe ich Kummer? Nun tja. Das normale Maß wie sonst auch.

Ich kochte Kaffee, stellte Müsli und Obst auf den Tisch, leerte den Geschirrspüler aus, kümmerte mich um Kind und die ersten Aufgaben des Tages. Machte ein bisschen Yoga und spazierte durch den Garten. Der rissige Boden und der düstere Himmel über mir, der sich nicht öffnen wollte, erklärten meine gedrückte Grundstimmung.
Ich hatte mich auf diesen Freitag gefreut, ihn herbeigesehnt, herbeigebetet, denn heute sollte es regnen!! In naiver Vorfreude kaufte ich zwei zusätzliche Regentonnen, mein Mann schloss sie an die Regenrinnen an. Aber sie bleiben trocken.
Ich höre meinen Garten stumm nach Wasser flehen. Und mein Mitgefühl zerfließt in alle Richtungen wie Regen auf hartgebackenem Erdboden.

Die Sorge hat keine temporäre Begrenzung, sie reicht über diesen Sommer 2023 hinaus. Hatte ich in den letzten Dürresommern immer noch die leise Hoffnung, dass sich das Klima wieder fängt, beginne ich mich nun damit abzufinden, dass wir mittendrin stecken in Umwälzungen, die mir Angst machen. Aber nein, ich will nicht, dass wir uns damit abfinden, denn das würde ein Aufgeben bedeuten. Damit würden wir uns im Status Quo einrichten. Mit dieser Haltung stünden wir in Gefahr, uns aus der Verantwortung zu ziehen.
Und meine Güte, wir haben es versemmelt, nicht wahr? Wir machen als Weltengemeinschaft hier und da ein paar Schönheitsreparaturen, weil wir uns scheuen, das Grundproblem anzupacken. Wir Industrienationen wollen keine Kompromisse beim Lebensstandard machen. Bitte weiterhin zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen, aber als Ausgleich für Klimaschutzprojekte spenden.
Während ich diese Zeilen schreibe, ballt sich der Himmel noch mehr zusammen, die Krähen haben sich in den Bäumen versammelt, meine Erdbeeren zerfallen zu Staub. Es fällt kein Tropfen.
Ich möchte mir die Decke über den Kopf ziehen und so lange schlafen, bis sich dieser dystopische Zustand verflüchtigt hat.
Aber weil das kontraproduktiv ist, nehme ich dich lieber mit in die letzten Wochen. Vielleicht lenkt uns das ein wenig ab. Gerade in Zeiten, in denen mich Verzweiflung und Kummer zu überwältigen drohen, wende ich mich den Alltagsfreuden zu, die mich erden. Wie die kleinen Walderdbeeren in meinem Garten sind sie. Man muss sich ein wenig Mühe machen, jedes Blatt hochheben und sich eine Brille aufsetzen, um die winzigen Beeren zu entdecken, deren Aroma alles durchdringt.

Sechs Alltag-Hoffnungs-Dinge der letzten Wochen:
- Bleiben wir doch noch ein bisschen im Garten. Obwohl einiges nicht gedeiht und vertrocknet, ernte ich trotzdem überraschend viel. Salat zum Beispiel. Ich habe so viel angebaut, dass ich Freunde mitversorgen kann. Gurken, Zucchini, Auberginen, Kohlrabi und Zwiebeln lassen sich von der Trockenheit nicht beirren und produzieren ihre schönen Früchte. Im Staudenbeet überleben nur die Harten. Sie produzieren ihre eigene Schönheit und am Morgen setze ich mich mit meinem Kaffee auf den Stuhl neben meinem Zinkwannenteich und sauge die Schönheit in mich auf.








2. Ich habe ein Projekt umgesetzt, das schon seit Jahren auf meiner Liste steht. Eigentlich hatte ich keine Lust, aber mein schlechtes Gewissen war stärker. Ich begann dieses alte Nachtschränkchen von seinen abblätternden Lackschichten zu befreien und merkte, dass ich Freude daran fand. So sehr, dass ich meinem Mann zurief: „Ich werde ab jetzt Möbel restaurieren und verkaufen!“ Nach einer ernüchternden Kalkulation verwarf ich den impulsiven Plan wieder. Ein bisschen frische Farbe, die Tür und die Schublade mit Papier verziert. Fertig. Gar nicht schwer, gar nicht so aufwändig. Und ich frage mich, warum ich mich nicht schon eher an diese schöne, befriedigende Arbeit gemacht habe.


3. Die Druckfahnen meines neuen Buches „More Coffee and Jesus“ landeten auf meinem Schreibtisch. Das ist eine PDF mit dem Buch in der Endfassung, mit Satz und Grafik und allem Drum und Dran. Meine Aufgabe ist es, jedes Wort, jeden Satz, jedes Kapitel mit Adleraugen nach Fehlern zu durchforsten, die im Lektorat übersehen wurden. Häufig nehme ich letzte Änderungen vor. „Dieser Satz ist criiiinge, weg damit!“ „Diese Behauptung ist nicht verifiziert, weg damit!“
Lass dich vom süßlichen Titel, der nach „Ermutigungsliteratur für die wohlsituierte christliche Frau“ riecht nicht täuschen. Ich lasse das Schwere und Kritische nicht aus. Bin sparsam mit vorgefertigten Antworten und Phrasen und verschwenderisch mit der Gnade. Hauptsächlich sitze ich mit meinen Fragen und Gedanken bei Jesus. Mit einer Tasse Kaffee. Meine Texte, die ich im Winter geschrieben hatte, haben mich beim erneuten Durchlesen seltsam berührt. So ist es als Autorin: Man schreibt in erster Linie an sich selbst und erst dann an die Leser und Leserinnen.

4. Überhaupt Bücher. Ich möchte eine Ode an sie schreiben! Sie bis zum Geht-Nicht-Mehr romantisieren! Ich nehme mir an unseren Sonntagen wieder mehr Zeit, ein paar Stunden zu lesen. Ich muss mir diese Zeiten bewusst einrichten, sonst wird das Gute und Nützliche wie so oft vom Dringlichen zur Seite geschubst. Aber Bücher sind für meine Seele das, was Essen für meinen Körper ist.

5. Unbeschwerte Kinder. Ich bin ja überrascht, dass es dies in unserer Zeit noch gibt! Aber ja: Unsere Jüngste hat sich mit Freundinnen zum Musizieren getroffen. Ganz eifrig waren sie bei der Sache. Eine Freundin hatte ein Stück für Klavier, Saxophon, Trompete und Geige geschrieben. Auch wenn sie nicht jeden Ton trafen und das Timing stellenweise doch starke Lücken aufwies, war es pure Freude, die jungen Mädchen dabei zu beobachten, wie sie sich gegenseitig lobten und freundlich verbesserten und miteinander lachten und anspornten.

6. Mini-Aktivismus. Dieses Wort ist mir soeben eingefallen, als ich überlegte, wie ich meine gelebten Werte nennen soll. Einer davon ist Nachbarschaftlichkeit. Zusammen mit anderen Leuten hier am Ort haben wir eine kleine Initiative gegründet. Es ist nichts Weltbewegendes. Aber wir glauben an die Wichtigkeit von Gemeinschaft in Echtzeit. Und deshalb haben wir diesen Sommer drei Kaffeetreffs auf dem Platz in der Dorfmitte angeboten. Mit einem Kreativtisch für Kinder, Kaffee und Kuchen und einer Umsonstbörse. Alle sind willkommen. Wirklich, wirklich alle. Und so ist es auch. Da versammelt sich ein kleiner Querschnitt der Dorfbevölkerung: Alte und Junge. Kranke und Gesunde. Trauernde und Fröhliche. Andersliebende, Ausländische, Einsame, Gesellige. Unser Traum: Ein Gemeinschaftshaus. Aber das scheitert momentan an allen möglichen Hürden. Vielleicht wird es doch noch wahr und wir können einen dauerhaften Dorfmittelpunkt schaffen.
Ab Herbst nehme ich einen Mikrojob an: Hausaufgabenhilfe in der Grundschule für Kinder mit ausländischen Wurzeln. Ich freue mich schon darauf, denn als Freiberuflerin lechze ich danach, aus dem Haus zu kommen.Und wisst ihr was? Ich habe es euch treuen Blog-Abonennten zu verdanken, dass ich das tun kann. Denn durch euren finanziellen Beitrag verschafft ihr mir die Luft, mich solchen Aufgaben widmen zu können. Danke! Wirklich, aus allertiefstem Herzen Danke.

Jetzt bist du an der Reihe. Erzähl mal:
- Was liest du gerade?
- Was hilft dir gegen Weltuntergangsgedanken?
- Was passiert in deinem Umfeld, das dir Hoffnung schenkt?
- Glaubst du, dass wir unseren Lebensstandard ändern müssen?
- Wenn ja, wie?
PS: Ich tippe die letzten Worte und der Himmel öffnet sich. Zögerlich und zimperlich. Aber immerhin habe ich die Regentonnen nicht umsonst gekauft. Jetzt steht ein Fingerbreit Wasser darin. Zu wenig zum Gießen. Für die Stechmücken ausreichend zur Vermehrung.
Liebe Veronika, Kaffeetreff im Dorf für ALLE, Gartengedanken, Bücher, Kaffee, Teenager und Jesus, sovieles über das Du nachdenkst und schreibst spricht mir Dir ins Herz und sind Themen, die mich mit ähnlichen Gedanken auch beschäftigen.Immer wieder ist es eine Freunde und große Inspiration von Dir zu lesen.Herzlichen Dank für’s Teilen und herzliche Grüsse aus Freiburg von Heike
Ich lese … gerade wieder viel zu wenig.
Danke für die Erinnerung, dass Lesen für meine Seele Nahrung ist. Das ist so wahr. Abenteuerlust ohne großen Klima-Fußabdruck. Wie gut man das verkaufen könnte…
Es geht mir heute wie dir, ich bin ein bisschen “verstimmt”. Was ein geniales Wort! Überlegen, was nicht stimmt, die Miss-Stimmung aushalten (man kann ja nicht immer gut drauf sein, oder?) oder nach Mitteln für gute Stimmung suchen – was tue ich jetzt bloß?
Essen.
Mit Leib und Seele.
Danke für deine Gedanken, deine fortwährende Ehrlichkeit, deine Ermutigung.
“Papierpalast” habe ich geliebt. Aktuell ist “Lichte Tage” von Sarah Winman mein Lieblingsbuch. Wäre vermutlich auch was für dich, liebe Vroni. Und ja, lesen ist eine große Kraftquelle auch für mich.
Hi Sigrid, Danke für den Buchtipp….das schau ich mir mal an. Liebste Grüße an dich!!
Liebe Veronika, hab vielen Dank für Deinen inspirierenden Blog! Ich wollte Dir schon lange einmal schreiben und sagen, wie Du mir aus dem Herzen schreibst, hab vielen Dank dafür! Ich lese mir immer wieder Dein Glaubensbekenntnis durch (vom 22.09.2022) und bin da so bei Dir und mir. 🙂 Das gibt mir immer wieder neue Kraft. Gerade habe ich gelesen und das passt auch prima zu Deinem vorletzten Blogeintrag: “Das Ende der Rastlosigkeit” von John Mark Comer. Kurzweilig und informativ. Regt zum Nachdenken an. Jetzt kommt es aufs Umsetzen an… Gegen Weltuntergangsgedanken helfen mir lange Spaziergänge in der Natur, wenn die Vögel zwitschern und alles grünt und blüht und summt und meine kleine Hündin voller Lebenslust durchs hohe Gras tobt. Dann bin ich mit ihr im “Hier und Jetzt” und alles ist gut. Oder wenn ich mit Menschen mit Behinderung zusammen Andacht feiere und sie mit einer Leidenschaft von Gottes Liebe singen, dass mir die Tränen kommen. Hoffnung in meinem Umfeld: Mein Papa hat Krebs und hatte nun eine große OP zu überstehen. Und wir erfahren von allen Seiten so viel Anteilnahme: Die Nachbarinnen und Nachbarn fragen nach und bieten ihre Hilfe an, Kolleginnen und Kollegen, Feundinnen und Freunde, Verwandte, aber auch ganz flüchtige Bekannte. Lebensstandart ändern: Ja, wir müssen wegkommen vom “immer mehr, weiter, besser, schneller, jünger, …”. Letztendlich muss die Erkenntnis in unser aller Herz sickern, dass aller Konsum (auch der von Erlebnissen) uns nie ganz befriedigen kann. Das Wie ist schwierig. Üben, nicht aufgeben, sich und anderen verzeihen, immer wieder, Vertrauen haben, sich mit Gleichgesinnten austauschen und üben, üben, üben… Ich wünsche Dir und Deinen Lieben alles Liebe und Gute!
Liebe Ulli, Danke dir für deinen Kommentar! Das Ende der Rastlosigkeit hat mich auch bereichert. Da waren viele gute Gedanken drin, aber man merkt die männliche Perspektive. Da fällt der Aspekt der Ungleichverteilung der Haus- und Carearbeit hinten runter. Das darf man beim Lesen (als Frau) nicht vergessen.
Alles Gute für deinen Papa! Ich fühle SEHR mit dir und bete, dass er die OP gut übersteht und Heilung erfährt.
Herzliche Segensgrüße! Veronika
Liebe Veronika, ich habe dir mit einem Blogpost geantwortet: https://ramona-weyde.com/tagebuch-alltags-hoffnungs-dinge/
Hallo Veronika,
gerade habe ich den „kleinen Sprachatlas“ gelesen den unser Landkreis zu seinem 70-jährigen Jubiläum herausgegeben hat. Nicht zu glauben dass ein kleiner Landkreis solch eine Dialektvielfalt birgt. Und ich habe gelesen „Botschafter des Lebens“ von Caroline Ring, ein Buch über Bäume und ihre Geschichte. Einfach eine schöne Sommerlektüre.
Da ich beruflich den ganzen Tag mit Bäumen zu tun habe, habe ich eigentlich die besten Berater gegen Weltuntergangsgedanken sehr dicht bei mir und doch können sie zur Zeit bei mir wenig gegen selbige ausrichten…
Ich leide wie sie -und mit ihnen- an der Trockenheit. Vielleicht sollte ich mich mal näher mit den Anpassungsreaktionen der Bäume befassen um ein wenig Licht zu den Weltuntergangsgedanken zu bringen.
Ich bin schon seit Jahren davon überzeugt, dass wir unseren Lebensstandard drastisch ändern/senken müssen. Und wir als Familie haben schon einige Schritte unternommen auf diesem Weg. In der Regel bedeutet das eine bewusste Entscheidung und meist ein höherer Zeitaufwand/Logistik/Geld aber mit dem Ergebnis dass man einen kleineren Abdruck hinterlässt, man Dinge erlebt die man nicht mitbekommt wenn man mit dem Auto vorbeibraust und manchmal erntet man auch einfach nur ein Kopfschütteln oder Stirnrunzeln.
Ich denke es ist wichtig dass wir aufhören, konsumbeflissen unsere globalen Lebensgrundlagen zu „verleben“. Wieviel ist genug zum Leben? Eine Frage die mich seit Jahren bewegt und auf die ich noch keine abschließende Antwort gefunden habe. Aber ich komme ihr in meinen Sommerprojekten -Keller und Werkstatt/Garage aufräumen- mit jedem aussortierten, verschenkten und verkauften Gegenstand ein bisschen näher.