Letztens saß ich mit zwei Freundinnen beim Frühstück. Sie sind die Art Gefährtinnen, bei denen man sich nicht groß erklären muss und mit denen die Gespräche einem natürlichen Fluss folgen. Wir teilen Vorliebe für Bücher, pflegen eine Abneigung gegen soziale Medien und sind in einem Alter, in dem man nicht mehr jeden Bullshit mitmacht. Theologisch sind wir nicht immer einer Meinung, was für eine gesunde Spannung sorgt und uns lehrt, dass wir unterschiedliche Standpunkte vertreten und uns trotzdem von Herzen lieben können.
Wenn du irgendwo in der Lebensmitte wie ich stehst, dann lässt es sich gar nicht vermeiden, dass man auf die Wechseljahre zu sprechen kommt. Das ist nichts, was man verschämt am Rande der Konversation einfließen lassen sollte, sondern mitten auf den Tisch packen muss.
Zurück zu dem Frühstück, bei dem wir unsere Prä- und Postmenopausen zwischen Brotkorb, Marmelade und Kaffee platzierten. Ich klagte gerade darüber, dass mich seit einigen Monaten das Gefühl plagt, meinen Höhepunkt überschritten zu haben. Dass da nichts mehr kommt, außer jüngeren Frauen, die hippere Bücher schreiben und coolere Instagram-Auftritte pflegen. Dass ich zum alten Eisen gehöre. An mir nagen Neid, Selbstzweifel, das Gefühl der Unsichtbarkeit und eine Midlife-Krise.
Die Freundin zu meiner Rechten blickte mich an: „Man blüht doch nicht nur einmal!“
Ich musste eine Weile darüber nachdenken. Klang das nach einem billigen Kalenderspruch ? Aber nein, besagte Freundin verfügt über Lebenserfahrung und Klugheit und was aus ihrem Mund kommt, hat Substanz. Das hat nichts mit gerahmten, handgeletteteren Pseudoweisheiten zu tun. Das ist durchlebte Erfahrung.
„Ich glaube, Aufblühen bedeutet, sich lebendig zu fühlen,“ fügte lebenserfahrene und kluge Freundin Nr. 2 hinzu.
In unserer Gesellschaft, deren Leistungsdenken auch durch Kirchentüren sickert, verknüpfen wir „blühen“ mit richtigem Handeln und Erfolg. Etwas, das wir uns erarbeitet haben. Etwas, das wir aktiv tun müssen. Erst, wenn wir genug geackert haben, dürfen wir uns für fünf Minuten zurücklehnen, bevor uns die Unrast schon wieder überfällt. Aufblühen klingt nach einem anstrengenden Geschäft. Wer auf der Bestseller-Liste landet, blüht auf. Wer …
Hallo Veronika,
danke dir 😃🙏🏻!
Dein Artikel hat mich total abgeholt heute: passte wie Faust aufs Auge bzw. genau zu dem, was gerade in meinem ❤️ so brodelt 😊.
Ich bin gerne ein Gänseblümchen: klein und wunderschön, wenn man genau hinschaut! Und genauso wichtig wie die stolze Tulpe, die man schon von weitem sieht.
Danke dir fürs Worte finden!
Liebe Grüße,
Debby