Den Alltag wertschätzen

Ich muss es offiziell verkünden.

Die Kindheit meiner Mädchen ist vorbei. Ihre Accessoires heißen nicht mehr Schleich-Pferde und Freundschaftsarmbänder, sondern Airpods und Oversized Hoodies. Gestern morgen legte ich mich nochmal fünf Minunten ins Bett, nachdem die Haustür ins Schloss geknallt war. Ich starrte aus dem Fenster, auf die Äste der alten Kiefer, auf der sich Amseln und Wildtauben tummelten und ab und zu ein Eichhörnchen vorbeihüpfte. Der graue Morgen und meine trübe Stimmung kümmerten sie nicht. Ein unerwarteter Schluchzer schüttelte meine Brust. Wo kam der denn her? Ich horchte in meine Aufgewühltheit hinein: Nie mehr werden mir kleine Kinderfäustchen Gänseblümchenketten entgegenstrecken! Nie mehr werde ich eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen! Nie mehr werden wir gemeinsam um den Tisch sitzen und mit Wachsmalkreiden Malbücher ausmalen!

Ich bin in diesen Kinderjahren als Mensch aufgeblüht. Nicht, weil mir das Muttersein leichtfiel, sondern weil mich meine Kinder lehrten, mein Lebenstempo zu reduzieren und ganz im Moment zu sein. Ich sah die Welt durch die Brille meiner Kinder und staunte über die Heiligkeit der gewöhnlichen Dinge. Die Natur war unsere Kirche, der Esstisch der Altar, das Jauchzen und Singen und Spielen unser Lobpreis. Ich schrieb Kindersprüche in ein kleines Heft und schoss mehr Fotos von meinen Kindern als Annie Leibovitz für die Vanity Fair. Ich war Zeugin eines reichen Lebens, das manchmal alles von mir forderte und dann noch ein bisschen mehr. 

Gestern hatte meine Jüngste einen Kummer und sie legte ihren Kopf an meine Schulter. So saßen wir eine ganze Weile still miteinander da. Ich wagte es kaum zu atmen. Denn bei Heranwachsenden braucht es manchmal nur einen falschen Blick, ein zu lautes Atmen, ein Wort und schon verkrümeln sie sich in ihre Mäuselöcher.

Ich sagte mir: „So möchte ich weiterleben. Ich möc…

Ein Kommentar zu „Den Alltag wertschätzen

  1. DIe Kochkiste war zu meiner Kindheit unser Sofa. Dort wurden in Decken gehüllt Speisen fertiggegart. Ohne Kiste. Sich zufällig ins Kissen plumsen lassen sollte man aber lieber nicht 🙂

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