Postkarten von Langeoog

Ich muss das letzte Wochenende verstoffwechseln und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Hm. Am besten am Anfang, nicht wahr?

Irgendwann letztes Jahr trudelte eine Einladung in mein Instagram-Postfach. Ich ignoriere Einladungen meist. Sowie auch viele meiner WhatsApp-Nachrichten und Emails. Das ist gar keine böse Absicht, sondern radikaler Selbstschutz. Ich bräuchte wahrscheinlich einfach nur Assistenz, aber das ist eine andere Geschichte.

“Komm mit auf ein Vernetzungstreffen nach Langeoog!”

Ich tänzelte eine Weile um diese Einladung herum, schwankte hin und her. Ich bin keine Influencerin, kein Big Player in der Insta-Welt. Und ich halte Abstand von Strategien, Filtern und mein eigener Account schaut aus, als hätte ihn ein Kindergartenkind gebastelt. Außerdem bin ich definitiv zu alt für einen Wettstreit um Follower. Und ich fühle mich so gar nicht zu ostfriesischen Inseln hingezogen. Nur einmal war ich dort, während des Frühstadiums meiner ersten Schwangerschaft. Mir war damals dauerübel vom Meeres- und Fischgeruch. Diese Übelkeit verband ich von da an mit Norddeutschland.

Aber dann funkte mich Katharina Weck an. Vielleicht hast du eines ihrer Bücher gelesen. Sie sind großartig. Und Katharina ist großartig. Ich liebe es, wenn wir uns Sprachnachrichten hin und herschicken, obwohl wir uns noch nie gesehen haben. “Du musst unbedingt mitkommen! Ich will dich doch so gerne mal in echt kennenlernen.” Das war ein schlagendes Argument. Denn natürlich wollte auch ich mal das Gesicht sehen, das zu den Sprachnachrichten gehörte.

Und weil Langeoog so weit entfernt liegt, reiste ich zwei Tage vorher an. Vor allen anderen.

Ich schwankte immer noch hin und her, während vor meinem Hotelfenster ein Sturm tobte. War es richtig? Habe ich überhaupt Bock auf christliche Influencerinnen? Die vertreten zum Teil ganz andere Positionen als ich. Und sie sehen dabei immer so unglaublich gut aus. So fresh. So Young. Die haben gestylte Webshops und einträgliche Kooperationen. Ich schmiss mich aufs Bett, scrollte mich durch ihre Feeds und pflegte meine Vorurteile, bis ich erschöpft einschlief.

Am nächsten Abend trudelten die ersten Frauen ein. Die toughe Sarah, die das Wochenende ins Leben gerufen hatte. Und die exzentrische Priska, mit der ich schon seit längerem befreundet bin. Die kluge Katharina. Die einfühlsame Alyssa. Und die clevere Elli.

Meine Vorurteile schmolzen wie Eis im Hochsommer. Nicht nur die über Influencerinnen. Sondern auch die über ostfriesische Inseln.

Wirklich, man sollte öfter im Februar an die See fahren. Sie umgarnt einen nicht so offensichtlich wie im August, sondern lockt mit leiseren Farben und gewaltigerem Krachen. Sie bläst dir Sand in die Augen und breitet vor dir Muschelkunstwerke aus. Sie folgt einem uralten Rhythmus, einer Alchemie aus Mondkraft und Meeresgeheimnissen.

Und auch ich war irgendeiner stillen Kraft hierher gefolgt. In das schöne (und wirklich sehr empfehlenswerte) Hotel Bethanien.

Die folgenden Tage wirbelten in mir abgelagerte Sedimentschichten nach oben. Ich erzählte Wahrheiten, die ich sonst verschlossen halte. Ich fiel in ein weiches Bett aus Verständnis. Zwischen uns wand sich ein unsichtbares Band, das stärker war als unsere Unterschiede. Meine Befürchtungen zerstreuten sich im Nordseewind.

Weißt du, als Influencerin oder Bloggerin oder Autorin oder wie man sie alle nennen will, sitzt man alleine in einem Boot, das man mit viel Arbeitseinsatz und Herzblut durch die Untiefen des Lebens und der Onlinewelt steuert. Und dann auf einmal, mitten auf einer Nordseeinsel merkt man, dass man nicht alleine am Steuer sitzt. Wir sind viele. Wir sind eine Urgewalt, wenn wir uns miteinander verbinden und ausrichten und trösten und uns dem anderen verletzlich zeigen. Mit uns Frauen muss man rechnen. Wir bleiben nicht auf einem Nebengleis, sondern stellen Weichen. Für uns selbst. Für andere.

Manche von uns sind echte Pionierinnen. Und gerade für sie ist es manchmal schwer. Denn wenn man so vorangeht, meint man, dass sich nichts bewegt. Aber als Pionier sieht man nur das, was vor einem liegt. Eine undurchdringliche Wildnis. Aber man bemerkt nicht, dass man bereits einen kleinen Pfad geschlagen hat. Hinter einem. Auf dem sich bereits andere bewegen.

Darauf wiesen wir einander hin: “Schau, was hinter dir bereits geschehen ist. Schau, welche Schneisen du für andere geschlagen hast.”

Solche Zusagen brauchen nicht nur die Influencerinnen und Autorinnen und Pionierinnen. Sondern wir alle in unserem Alltagswahnsinn, nicht wahr?

Auch du:

“Schau, was du schon geschafft hast. Mit deinen Händen. Mit deinem Mund. Mit deinem Herz. Es ist nicht Nichts, sondern alles.

Du hast getröstet, als du selbst Trost brauchtest. Du bist stark geblieben, wenn du am liebsten zerbrechen wolltest. Du hast Hilfe gesucht, als nichts mehr ging. Du hast Essen ausgeteilt, als du selbst hungrig warst. Du hast dich an Gott gehängt, als du gezweifelt hast. Du hast den Schwachen gestützt und Reichtum geteilt und Ungerechtigkeiten angesprochen. Du bist offen, dazuzulernen und du bildest dich weiter und hörst auf deinen Körper. Du liebst deine Kinder und gehst in Therapie, um ungute Verhaltensweisen nicht an sie weiterzugeben.”

Du bist Influencer*in in deinem Lebensumfeld.

Du schlägst still und treu Schneisen für andere. Und ich hoffe, dass du hier einen Ort hast, an dem dir das ab und zu bewusst wird. Wo du auf dieser anstrengenden Lebensreise (oh es ist fürchterlich ermüdend, Schneisen zu schlagen) in ein weiches Bett aus Worten und Bildern und stiller Gotteskraft fallen kannst.

Mit Priska wollte ich im Meer baden. Aber mir reichte es letztendlich, diesen Priel zu durchqueren, der -78 Grad kalt war. Und ich verlor dabei meinen Socken. Priska sprang in die Nordsee. Ich werde sie auf ewig dafür bewundern. Und für ihre Lache, die mich selbst an dunkelsten Tagen aufheitert.

Hört selbst:

6 Kommentare zu „Postkarten von Langeoog

  1. Liebe Veronika!
    Hab’ herzlichen Dank für diesen schönen Einblick in dieses besondere Wochenende! Und besonderen Dank auch für deinen Zuspruch. Ja, ich bin Influencerin in meinem ganz kleinen Umfeld. Und vieles von dem, was so eine Influencerin tut, tue ich auch. Es ist nicht “großartig” und ich lerne mehr und mehr, das es so, wie es ist, gut genug ist. Das ist so wohltuend! Ich habe angefangen, dass Mittelmaß zu lieben ( u.a. durch deine Inspirationen ), ja, der Ausdruck ” Goldene Mitte” hat für mich an Aussagekraft gewonnen.
    Sei gesegnet, du Schneisenschlagerin,
    Viele Grüße von Petra

  2. Liebe Veronika, das war doch genau das Richtige…nicht zurückstecken, sondern sich einfach auf ein Abenteuer einlassen, die Gemeinschaft von vermeintlich viel cooleren, eloquenteren, schöneren, …usw. Frauen mal annehmen(diese Aufzählung kann ich ja so gut fortführen da die Anderen ja soviel….mehr sind/haben als ich). Es freut mich für dich, und ich möchte auch anderen Mut machen,die Nase nach vorne zu strecken, etwas wagen, egal, was Ehemann, Freund, Arbeitgeber,…sagen. Wir sind alle Influencerinnen die großen Eindruck in unserem Umfeld hinterlassen.
    Tatsächlich habe ich Ende letzten Jahres mit etwas schlechtem Gewissen für März ein Aquarell -/Lettering-Wochenende auf einer Nachbarinseln gebucht. Und ich freue mich immer mehr drauf, denn was kann anderes passieren, als neue Eindrücke zu sammeln, Akkus aufzuladen…

    Danke für die schönen Bilder!

    Liebe Grüße Doro

  3. Danke für deine Worte. Sie machen Sehnsucht nach kalten Inseln, gemütlichen Orten zum Verweilen – allein, zum still werden, oder in guter Gemeinschaft – und echter unverblümter Begegnung.
    Schön, dass dein Wagnis sich auf diese Reise einzulassen, belohnt wurde.

  4. Liebe Veronika,
    Ganz herzlichen Dank für deinen ehrlichen, ermutigenden Bericht. Das ist so schön zu lesen. Ich kann fast den Geschmack des Salzes schmecken. 😃
    Tut gut, das zu lesen. Vlt sollte ich auch mal wieder an die Nordsee fahren … der Wind bläst einem die dunklen Gedanken raus aus dem Kopf. Die Gemeinschaft stärkt und ermutigt, hilft loszulassen, sich auf neues einlassen und lässt einen wachsen.
    Danke für das Video. Ist echt ansteckend 😂

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