Dieses komische After-Corona-Feeling *

Nach dem Schleudergang namens Corona sind wir alle etwas zerknittert und hängen durch. Schwerer sind wir auch geworden. Und unser Herz, das vorher fröhlich durch die Welt hüpfte ist vorsichtiger geworden.

Wir hatten uns zurückgezogen, in unsere vier Wände. Unsere Kontakte fanden fast nur noch online statt und jetzt, wo wir endlich wieder ins Freie kriechen, uns an die Helligkeit nach dem Höhlendasein gewöhnen müssen, haben wir unsere Schutzhaut verloren.

Zumindest geht es mir so. Jedes Treffen erschöpft mich mehr oder weniger. Das ist ein verrückter Zwiespalt, denn ich freue mich so unendlich, meine lieben Menschen wieder zu sehen. Andererseits rolle ich mich abends in meiner Höhle zusammen und trinke wie eine Verdurstende Stille und Alleinsein. Es braucht wohl Zeit, bis ich Eremitin mich ans Licht, an Menschen, an Termine gewöhnt habe. Das geht nicht von jetzt auf plötzlich. Minischritte sind gefragt und ein gutes Hineinhorchen in mich selbst.

Vielleicht bin ich aber auch nur vorsichtiger geworden. Und das wäre irgendwie schade. Denn dann würde ich meine eigene Person wie ein gelesenes Buch zurück ins Regal stellen, wo es dann verstaubt. Hemingway hat mal so etwas in der Art gesagt wie: Wir werden mit dem Alter nicht weiser, sondern vorsichtiger. Und da fühle ich mich tatsächlich ertappt. Andererseits ist es aber auch so, dass wir uns im Alter besser kennenlernen. Wir laufen nicht mehr jedem Selbst- und Glaubensoptimierungsprojekt hinterher. Wir kennen unsere Grenzen. Nur kann es schleichend passieren, dass wir uns dauerhaft in einer Höhle einrichten und nicht merken, wenn unsere Höhle zum Gefängnis wird. Wo die Gitterstäbe Angst, Überheblichkeit, Resignation, Trägheit heißen könnten.

Bin ich offen für Neues? Traue ich mich neue Wege zu erforschen oder bleibe ich lieber auf dem ausgetretenem Pfad, nur weil er vertraut ist? Ich möchte mir zumuten, mich selbst wieder ein bisschen herauszufordern, das Leben wachzukitzeln. Es ist nämlich immer noch da. Wenn sich meine Augen erst wieder an das Licht gewöhnt haben, dann werde ich erste Wackelschritte unternehmen. Ein bisschen die Komfortzone ausweiten. Nicht zu weit. Sonst liege ich ja gleich wieder zusammengerollt in meiner Höhle.

Ich traue mir in nächster Zeit ein neues, kleines, feines Projekt zu (mehr dazu bald!). Und Gästin in zwei Podcasts zu sein. Und dann reichts auch schon wieder. In den Sommerferien findest du mich dann strickend und gärtnernd und lesend in meinem Garten.

Wenn du noch keine neue Schutzhaut hast, dann gib dir selbst Zeit. Frische Haut verbrennt schnell in der Sonne, sie braucht schrittweise Gewöhnung. Ich wünsche uns allen, dass wir jenseits unserer Höhle neues Leben entdecken. Dass wir nicht vorsichtiger werden und nicht aufhören zu lieben. Dass wir uns nicht allzu bequem einrichten und neugierig bleiben. Dass wir unsere Grenzen respektieren und wissen, wann es an der Zeit ist, neue Wege zu gehen. Dass wir mit uns selbst noch nicht abgeschlossen haben. Denn das hat Gott auch nicht.

!! NEU !!:

Ich führe diesen Blog nun schon seit 12 Jahren. Darin steckt eine Unmenge Arbeit und Zeit und Energie und Freude. Ich möchte ihn auch weiterhin kosten- und werbefrei führen. Aber nachdem im letzten Jahr Vorträge und Lesungen weitgehend weggebrochen sind, habe ich mich dazu entschieden, eine Kaffeekasse aufzustellen. Hier darfst du gerne was reinschmeißen. Und mir damit einen Kaffee oder neue Wolle oder Zarbitterschokolade spendieren. Tausend Dank!

*Damit will ich nicht ausdrücken, dass Corona tatsächlich vorbei ist. Nur der Lockdown. Mit Zukunftsprognosen halte ich mich zurück. Damit lag ich die letzten 18 Monate immer falsch.

10 Kommentare zu „Dieses komische After-Corona-Feeling *

  1. Also – der Absatz unter dem Foto von Dir – der ist der Hammer! Genau so geht es mir auch! DANKE für Deine Worte.

  2. Danke! Danke! Danke! Da hab ich Pipi in den Augen. So schön ausgedrückt wie ich mich fühle!!! Danke für deine Ermutigung so bei mir sein zu dürfen!!!!!

  3. Liebe Veronika, ich habe schon einige deiner Mails gelesen und es hat mich immer wieder berührt, wie lebendig du schreibst. Besonders die weibliche Seite Gottes und dass wir diese Trösterin brauchen hat mich angesprochen.

    Ich möchte weiter deine Mails empfangen und habe zehn Euro in die Kaffeekasse getan.

    Alles Liebe,

    Ulrike Steinhage aus Berlin

    Von meinem iPhone gesendet

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  4. Das hast du sehr treffend ausgedrückt… In der Höhle ist es sehr gemütlich, manchmal schon zu vertraut und verlockend. Ich merke, ich muss das ein Stück weit lernen wieder neu lernen rauszugehen…

    Danke bleibt dein Blog werbefrei! Wenn Werbung eingebaut ist, finde ich immer schwierig zu unterscheiden, welche Texte jetzt “echt” sind und welche einen Zweck verfolgen/instrumentalisiert sind. Ich hoffe, dass viele etwas in die Kaffeekasse werfen und du für deinen mutigen Entscheid belohnt wirst.
    Sula

    1. Oh, leider wurde mein Kommentar nicht vollständig erfasst, war per Mail gesendet, mit Foto, schade… Danke für alle Inspirationen und
      Liebe Grüße, Ulrike

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