Fasten ist wie Ohropax

DCF 1.0Ich nutze jede Nacht Ohropax. Seit 18 Jahren. Jede einzelne Nacht.

Angefangen hat diese Gewohnheit in einem Hostelzimmer in Sydney. Zwei junge Britinnen, eine ältere australische Senior-Backpackerin und ich verbrachten dort einige Nächte. Die Australierin, welche tagsüber sehr viel schwadronierte und uns mit Anekdoten aus ihrem Leben speiste, war auch des Nachts recht laut. Ihr Schnarchen hielt mich wach und ich lauschte den Geräuschen der nächtlichen Großstadt. Am Morgen besorgte ich mir Ohropax in der Drogerie. Die kleinen Dinger waren mir in den nächsten Monaten sehr nützlich, da ich die meisten meiner australischen und asiatischen Nächte mit mehr und minder lauten Zimmergenossen teilte: Opossums, Schnarcher, Betrunkene, Mitten-in-der-Nacht-Packer, Verwirrte, Frühaufsteher, sirrende Kakerlaken.

Die letzten zwei Nächte verbrachte ich bei meinen Eltern und hatte meine Ohropax vergessen. Der eine kann ohne das Glas Wein am Abend nicht schlafen, der andere nicht ohne seinen Lieblingspyjama. Bei mir sind es die weichen Wachsdinger, ohne die mein Schlaf kein guter ist. Sie signalisieren meinem Körper: Ton aus – Ruhezeit.

Das Verschließen meiner Ohren am Abend ist mir mein liebstes Tagesritual. Der Übergang vom Lauten zum Leisen. Aller Lärm verstummt. Das Stoppsignal, das Eintreten der absoluten Ruhe, in der ich nur noch meinen Atem, meine eigenen Gedanken höre.

Genauso ein Ritual ist mir die Fastenzeit. Wenn ich faste, schalte ich einen Teil des Lärms, der mich umgibt ab. Dann höre ich meine Seele wieder. Und ich rücke ein Stück zur Seite, dass Gott Platz auf meiner Lebensbank nimmt. Ich höre keine Benachrichtigungstöne des Handys mehr. Ich höre nicht mehr die innere Stimme, die ständig nörgelt, ob noch Schokolade im Haus ist. Herz und Hirn werden nicht mehr mit Bildern und Botschaften aus dem Netz bombardiert.

Der Aschermittwoch ist mein Stoppsignal. Morgen. Wie den jährlichen Erziehungsschnitt an jungen Bäumen brauche ich ebenfalls einen jährlichen Einschnitt, damit ich nicht in zuviele Richtungen wachse und mich zu sehr zerfranse.

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Ab morgen findet ihr mich sieben Wochen lang nicht auf meinen soziale Medien. Und ich werde mich an die Fastenregeln von Hildegard von Bingen halten.

(Ich muss das hier großmäulig aus Gründen der Rechenschaft kundtun. Sonst würde ich mich spätestens morgen Abend um 19 Uhr selbst bescheißen.)

Unterstützend schließe ich mich Ramonas Fastenzeit-Online-Kurs “Herzenswege gehen” an.

Ich muss mein Herz an einigen Stellen stopfen, damit nicht mehr soviel Lärm hineingerät. So kann ich Dem begegnen, Den ich in sieben Wochen feiern werde.


Ich bin neugierig! Fastest du auch? Und wenn ja, was und warum?

 

 

Veröffentlicht unter Fasten.

4 Kommentare zu „Fasten ist wie Ohropax

  1. Ja, ich will diesmal zum ersten Mal bewusst fasten. Einmal Konsum. Ich tröste mich gerne mit Shopping. Und sei es, dass ich unzählige Dinge im Drogeriemarkt einpacke. Oder im Supermarkt. Hauptsache es tröstet.
    Ich will wieder näher an Gott rücken. Wir haben gerade eine schwierige Zeit. Ich mit ihm. Oder er mit mir? Viele Fragen, die wahrscheinlich unbeantwortet bleiben. Mein Glaube wurde erschüttert. Es liegt alles durcheinander. Ich bin bewusst ein Stück von ihm weg gerutscht. Es war zuviel. Zu viele Gedanken, Fragen und auch Schmerz. Und trotzdem bleibt da diese Sehnsucht danach, dass Gott wieder mein Tröster wird. Nicht der schnelle Konsum. Sondern ein Trost, der tief geht. Trotz allem. Oder gerade wegen allem.
    Das ist mein Ziel in der Fastenzeit. Oder eher der Beginn eines Weges. Der wieder zu IHM führt. Hoffentlich.

  2. Ich will die Fastenzeit ohne Süßigkeiten verbringen, ich weiß, dass das geht. Hab ich schon mal geschafft.
    In dem Zuge will ich meine Ernährung umstellen (weniger und bewusster essen, weniger Kohlehydrate, mehr Rohkost) und dann (wahrscheinlich ein Weilchen nach den 7 Wochen) auch abzunehmen, in 150 Tagen 15 Kilo schaffen, das ist der Plan.
    Zugleich will ich mich auch digital entschlacken, mehr raus in die Natur, mehr Sport, mehr analog lesen, usw usf, es wird sich rausstellen, ob das alles realistisch ist. Hilfreich wäre es auf jeden Fall. Die frei werdende Zeit könnte ich dann prima mit dem Högschden verbringen, der freut sich, sagt er.

  3. Liebe Veronika, Dein Blog war meine Überlebenslektüre in diesem Jahresbeginn.
    Segenregen und Seelenbalsam. Danke dafür von Herzen.

    An dieser Stelle deshalb, weil ich auch ein Stillefan bin. Hab mir meine Ohrenstöpsel im Hörgeräte Fachgeschäft giessen lassen. Sie passen perfekt und halten eine Ewigkeit. Vielleicht ist das ja auch was für Dich.

    Alles Gute für Dich und liebe Grüße von einer, die nicht an Gott glaubt, aber weiss, dass er an sie glaubt.

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