Ich habe mich am Wochenende ordentlich eingemummelt.
Einmummeln bedeutet in meiner Sprache: Mich zurückziehen. Mit einem ganz schlechten Psychothriller. Im Bett rumgammeln. Niemanden sehen wollen. Niemanden hören wollen.
Letzte Woche war eine Phase mit vielen Menschen. Und ich habe jeden einzelnen absolut willkommen geheißen. Meine Book-Club-Mädels. Meine Kinder und deren mannigfaltigen Freunde. Reitkameraden und Therapeuten und Lehrer. Noch mehr Kinder. Mein Mann. Familie. Die Frauen beim Ladiespoint in Oberjesingen am Freitagabend.
Aber nach solch einer Phase werde ich zum wortkargen, brummigen Eremiten.
Menschen in solcher Geballtheit konnte ich im letzten Jahrzehnt nur in geringer Dosierung zu mir nehmen. Aber nun wendet sich das Blatt seit einiger Zeit. Die Dosis kann ich erhöhen, ohne dass es zu ernsten Nebenwirkungen führt. Und trotzdem muss ich mir nach solchen intensiven Zeiträumen unbedingt Einmummel-Tage verschreiben.
Sonst leidet meine Seele an einem Ungleichgewicht, weil ich vor lauter Hineinhorchen in andere Menschen innerlich austrockne. Wenn ich nicht regelmäßig an die Quelle gehe, werde ich wütend und ich brause auf: Warum bietet mir niemand Wasser an??
Dabei bin ich es doch, die für mein geistliches Wohlergehen verantwortlich bin. Das ist niemand sonst. Weder mein Mann, noch meine Kinder, noch mein Hauskreis.
Meine Verantwortung für mich selbst schaut so aus: Ich muss mich wieder und wieder an die Quelle setzen und die ist an dem tiefsten Punkt in mir. Den, zu dem niemand Zugang hat. Er mag eine kleine Hütte in den fernsten Bergen sein. Oder eine Waldlichtung im Dunklen. Eine Insel im tobenden Meer. Kein anderer Mensch hat ihn je gesehen. Aber genau dort berührt mein Herz das Herz Gottes. Dort flüstert er mir zu: “Da bist du ja.” Und in diesen Worten liegt die tiefste Wahrheit über mich: Nur Freude. Keine Anklage.
“Da bist du ja.”
Mit dieser allumfassenden Freude kann mich nur Jesus anschauen. Niemand sonst. (Vielleicht noch unsere Kinder, wenn sie klein sind. Aber im nächsten Satz brauchen diese dann schon wieder was von uns: Snacks. Schnürsenkelbinden. Smartphone.)
“Da bist du ja.”
Diese Worte höre ich nur, wenn alles um mich herum still ist. Wenn keine anderen Menschen in der Nähe sind, die diese Worte aufscheuchen und vertreiben könnten.
Ja, manchmal versuche ich, meine Mitmenschen mit diesen Worten ebenso zu lieben. Aber diese Liebe ist solch ein billiger Abklatsch von der göttlichen Liebe:
“Da bist du ja,” sage ich zu meinen Mann. Mit leicht genervtem Unterton. Übersetzt: “Wird aber auch Zeit, dass du endlich von der Arbeit heimkommst und mir mit den Kindern hilfst.”
“Da bist du ja,” freue ich ich mich ehrlich über das Kind, das ich mittags von der Schule abhole. Und im nächsten Atemzug sage ich: “Du siehst ja schon wieder total zerwuselt aus.”
“Da bist du ja,” seufze ich, wenn meine Freundin das Café betritt und kann es kaum erwarten, ihr meinen ganzen Seelenmüll vor die Füße zu schmeißen.
“Da bist du ja,“ sage ich der Nachbarin und hoffe, sie merkt nicht, wie sehr ich mich danach sehne, dass sie meine Einsamkeit stillt.
Ich werde nie perfekt in der Liebe sein. Sie wird immer nur eine äußerst ungeschickte, von unlauteren Motiven gespickte Annäherung an das Ideal sein.
Nachdem ich mich die letzte Woche so sehr verausgabt hatte, Liebe zu praktizieren, wurde es nicht nur Zeit zum Einmummeln, sondern auch wieder an die Quelle zu gehen. Dort, wo der Liebhaber und Kenner meiner Seele bereits wartete mit einem Lächeln auf dem Gesicht: “Da bist du ja”.
Danke. Lieblingssatz:Ich werde nie perfekt in der Liebe sein. Sie wird immer nur ein äußerst ungeschickte Annäherung an das Ideal sein. Empfinde es ähnlich wie du. Fühle mich verstanden und geh jetzt mummeln. Allein.
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Liebe Veronika, was für ein wunderwunderschöner Text! Liebe Grüße aus Freiburg, Julia
Beautiful! Habe gerade entbunden! “Da bist Du ja”und die Emotion die da mitschwingen sind so present gerade und breathtaking…
Der Gedanke daran, dass Jesus mich so willkommen heißt wenn ich mir Zeit nehme für ihn… ist breathtaking und so ermutigend… DANKE
Ich liebe das Wort “einmummeln”. Da, wo ich herkomme, bezieht sich das auf ein Eingehülltsein in Decken, vorzugsweise auf dem Sofa oder auf dem Bett, und mit einer Tasse dampfender heisser Schokolade in der Hand… danke für deine Gedanken, die in mir nachklingen – wie “da bist du ja” und wie ich es meine…