Ihr Lieben, ich bin ganz überwältigt. Den letzten Blogeintrag hab ich echt völlig spontan zwischen Telefonat und Mittagessenkochen ins Netz geschmissen. Ohne nochmal den Text glattzubügeln. Ich hab meinen Frust rausgehauen und dann kamen so vielfältige Echos zurück. Nicht immer haben sie mit meinem Frustschrei übereingestimmt. Aber jede von euch hat ihre ganz eigene Lebenswirklichkeit, in die ich einen Blick werfen durfte. Danke dafür! Ich habe jeden Kommentar gelesen und auf mich wirken lassen. Dahinter steht jeweils eine tüchtige Frau, die ihr Leben anpackt und gestaltet und ihre ganz eigenen Erfahrungen mitbringt. Ich kann von euch soviel lernen!
Vor drei Tagen machte ich meinen allabendlichen Rundgang durch den Garten. Mir bleibt jedes Mal ein bisschen die Spucke weg. Die Apfelbäume machen die letztjährige Missernte wett und biegen sich unter ihrer Last. Gurken, Kürbisse und Kartoffeln wetteifern miteinander. Was für ein Reichtum! Und der kleine tüchtige Birnbaum…oh. Moment mal. Der große, mit vielen Früchten behängte Ast ist abgeknickt! Schnell habe ich ein paar Stützen angebracht um zu retten, was noch zu retten war. Mein armes Bäumchen ist fast an seinen vielen Birnen zugrunde gegangen.
Es ist das, was uns so oft ereilt. Wir “behängen” uns mit Ansprüchen und Arbeit und Perfektionismus und Terminen. Das Fatale ist, dass wir oft gar nicht merken, wie die Äste immer schwerer und schwerer werden. Bis wir geknickt und gebeugt und freudlos durchs Leben schlurfen.
Als ich vor vielen Jahren auf einer Apfelplantage arbeitete, lernte ich eines:
Möglichst früh großzügig ausdünnen.
Ich war tagelang nur damit beschäftigt, Mengen von unreifen Äpfeln abzuleeren, sie einfach zum Verfaulen auf den Boden zu werfen, so dass der Rest der Früchte sich optimal entwickeln konnte und die Äste nicht brachen. Was zunächst wie ein Ernteverlust aussah, kam dem Apfelbauern und dem Baum zugute.
Immer wieder müssen wir uns fragen, welche Lebensbereiche gut und gerne sterben können, damit anderes gedeihen kann. Ich würde mich gerne mit allzu vielen Dingen behängen: Karriere und viel Familienzeit. Geld und ein toprenoviertes Haus. Gute Freundschaften und Zeit für mich. Selbstgebackenes Brot und das Engagement im Obdachlosendienst. Heimat und Reisen. Sport und Freizeit. Einen sauberen Haushalt und Zeit zum Schreiben. Die optimale Förderung meiner Kids und viele freie Nachmittage. Einen straffen Body und Snacks.
Daniela hat es so schön in ihrem Kommentar gesagt: Was mir persönlich schwer fällt und vielleicht ein Problem unserer Generation ist: verstehen, dass man nicht alles haben kann. Oft ist es entweder-oder.
Unser Perfektionismus, unsere Ansprüche, unsere übertriebene Selbstreflexion bringen uns nicht näher an das Leben, das Gott für uns gedacht hat, sondern sehr viel weiter weg. Nach den letzten Tagen bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass wir Frieden mit der Tatsache schließen müssen, dass wir einiges fallen lassen dürfen. Damit uns nicht das gleiche Schicksal wie mein armes Bäumchen ereilt.
Nachtrag: Jeder von uns hat seine ganz persönliche Belastungsgrenze. Was die einen gut wuppen, ist für die anderen ein zehrender Kraftakt. Wie oft werde ich schräg angesehen, weil ich ein Mutter-Kind-Kur beantrage (“Wie, du bist doch den ganzen Tag daheim?” “Du hast doch gar keinen Burn-Out” “Du hattest doch gerade Urlaub!” “Du hast doch nur zwei Kinder, da kannst du gar nicht so erschöpft sein.” ). Mädels, come on – halten wir zusammen! Lasst uns mal applaudieren, wenn eine von uns gut für sich selbst sorgt und nicht argwöhnisch drauf schielen. Ich werde noch eine ganze Weile in der Renovierungsphase stecken. Eine sehr lange Weile. Zwischendrin muss ich mal alle Bälle fallen lassen dürfen, damit ich nicht zusammenbreche…
Liebe Veronika,
danke für deinen Post. Auch für den vorigen… Er hat soviel Wahrheit drin…und spricht mir aus meinem Herzen… Ich wünsche dir eine ganz gute Zeit auf Kur… (meine Schwester geht diesen Sommer auch auf Kur mit ihren zwei Kindern…an die Ostsee…sie geht auch nicht “arbeiten” und braucht sie trotzdem dringend!)
Ich gehe auch nicht “arbeiten” (obwohl ich die Hausarbeit und Kindererziehung sehr wohl auch als Arbeit betrachte, die einfach nicht entlohnt wird…außer mit Anerkennung…die aber viel zu kurz kommt…das Meiste wird einfach als selbstverständlich hingenommen!)
Und ich glaube erst wenn wir Mütter “ausfallen”, wegen Erschöpfung, Krankheit, Auszeit, und, und, und,… dann erst wird vielen (Kindern und Vätern) bewusst was wir eigentlich ALLES wuppen…sehr oft gleichzeitig!
Es ist ein heißes Eisen dieses Thema…das hast du ja selbst gesehen auf deinen vorletzten Post hin… Ich habe schon lange akzeptiert, dass es nicht die EINE Meinung dazu gibt… ABER ich vertrete einfach meine Meinung und gut ist (ich möchte meine Zeit als Mutter und Hausfrau nicht missen und würde an der Doppelbelastung Erwerbsarbeit kaputt gehen)…
Zum Apfel- bzw. Birnbaum…
Unser Apfelbäumchen trägt schöne…. BLÄTTER…aber keine Äpfel… wie auch… er hat dieses Jahr gar nicht geblüht… lag das vielleicht am Kürzen der Zweige im Herbst??? Vielleicht hast du einen Tipp für mich?
LG Judith
Hallo Veronika,
Das mit der persönlichen Belastungsgrenze hast du gut gesagt. Es soll ja sogar Menschen ohne Kinder geben die eine Burnout bekommen :-O 😉
Ich wünsche dir dass das mit der Kur bald klappt.
Liebe Grüße
Liebe Veronika,
auch ich habe die letzten beiden Einträge inklusive der Kommentare aufmerksam gelesen. Bin gerade auch an dem Punkt, an dem ich mich frage, welche Äpfel& Birnen/ Lebensbereiche ich fallen lassen oder einfacher gestalten kann oder muss. Ich merle, dass mein Problem nicht die “Doppelbelastung” Erwerbs- und Familienarbeit ist, sondern die Perfektion, die ich in allen Bereichen von mir selbst erwarte. Diese zu hinterfragen bzw. sein zu lassen gelingt mir manchmal und dann bleibt Zeit für die wichtigen (nicht nur für die dringenden) Dinge: meine liebsten Menschen und Herzensangelegenheiten wie Nähen, Lesen und Gärtnern. Fürs neue Jahr habe ich Deinen Kalender bestellt. Er ist sehr schön geworden, wie ich finde! Da stieß ich beim Blättern auf Deinen Gedanken, dass du es in den Vierzigern besser schaffst, auf dich zu achten und “den Fuß vom Gas zu nehmen”. Da ich nun auch näher an der 40 als an der 30 bin, sehe ich Hoffnung auf Besserung…
Grüße von Katharina