Es ist schon spät an diesem Sonntagabend. Ich würde gerne ein Stockwerk höher gehen und mich bis zur Nasenspitze im Bett vergraben. Die letzten Momente des Tages, dieser ganzen Woche will ich aber noch kurz festhalten, sie anschauen und eine Weile wie Kostbarkeiten an mein Herz drücken. Manchmal kommt nämlich das Leben daher und sagt: “Hey, ich hab dich in letzter Zeit ein bisschen mies behandelt, aber lass es mich wieder gutmachen.” Und dann sollte man sich gut festhalten, denn das Leben kann einem soviel Reichtum um die Ohren hauen, dass man ein bisschen Halt verliert. Die letzten zwei Wochen waren angefüllt mit wunderbaren Menschen. Brot. Backen. Begegnungen. Reisen. Arbeiten. Feiern.
Menschen:
Menschen können ja echt ein bisschen anstrengend sein, vor allem wenn man mehr auf der introvertierten Seite wohnt und gerne für sich ist. Aber Menschen sind auch Überraschungspakete, angefüllt mit interessanten Geschichten und Liebe und Unsicherheiten und Hilfsbereitschaft. Echte Schätze können sie sein! Meine Eltern waren einige Tage hier um uns zu helfen. Sie haben die Dachkammer gespachtelt, Fenster geputzt, Kinder gehütet, Hühnersuppe gekocht. Und mir jede Mahlzeit mit schönen Gesprächen und positiver Atmosphäre versüßt.
Dann die Frauen, denen ich in Backnang bei einem Vortrag begegnet bin. Eine Mama hier aus dem Dorf, mit der ich einen ganzen Morgen lang Kaffee trank und sie dabei ein bisschen näher kennenlernte. Freunde, mit denen wir in den Schwarzwald gefahren sind.
Reisen:
Ok, Schwarzwald ist nicht sehr sexy, aber eine treue Seele, die uns mit viel Neuschnee verwöhnt hat. Wir hatten schon lange geplant mit Freunden in die JH Triberg zu fahren, um dort Schlitten zu fahren (der Schlittenhügel liegt direkt nebenan). Der Schnee kam mit Gewalt, die Mädchen-Gang baute mit Ausdauer Iglus, ich brach meinen Schlitten-Geschwindigkeitsrekord, wir saßen bis spät in die Nacht um den Tisch und erzählten, wir verloren eine Kamera sowie unsere Nerven und fanden sie wieder, wir bestaunten den höchsten Wasserfall Deutschlands und sagten alle fünf Minuten: “Das ist so toll hier, das machen wir wieder!” Zeit mit Freunden ist gelebte Zeit.
Backen und Essen:
Ich mache hier am Ort beim Konfi3-Kurs mit. (Ja, wir sind wieder ganz langweilig und normal in der Landeskirche gelandet. Normal und langweilig fühlt sich gut an nach Irrfahrten durch freikirchliche Gewässer.) Die Kinder hatten die Aufgabe Brot für ihr bevorstehendes erstes Abendmahl zu backen. Also wanderten wir mit ihnen in den Nachbarort, machten eine große klebrige Teigschlacht, buken Brot im Backhäusle und dann verschlangen wir die weltbeste Pizza. Mitten in Schwaben und nicht in Italien!
Die Kinder waren am nächsten Tag alle wie aus dem Ei gepellt, legten ihr bestes Verhalten an Tag und waren mit Eifer bei der Sache. Sie durften Brot und Wein mit Jesus teilen wie auch jeder Erwachsene. Die Worte “Lasset die Kinder zu mir kommen” waren selten bewegender für mich.
Fasching:
Haben wir ganz klein gefeiert. Daheim. Mit Krapfen (natürlich nur echt
mit Hiffenmark-Füllung!).
Bücher:
Sie sind meine langlebigste Liebesaffäre überhaupt. Die letzten Wochen war mein Bücherstapel schockierend klein. Aber dafür lese ich diese dicke Enzyklopädie über alles, was man so übers Landleben wissen sollte: Haus-Geburten, Hühnerschlachten, Traktorfahren. Liest man eigentlich Enzyklopädien oder sind es nur Nachschlage-Werke? Oder bin ich ein Freak, weil ich schon immer gerne Enzyklopädien gelesen habe??
Stricken:
Nachdem meine Große ihre zweite Mütze diesen Winter verbummelt hat, stricke ich ihr halt mal wieder eine neue. Auch wenn mich der Verlust der anderen Mützen echt kekst, sie muss mich nicht lange um eine neue anbetteln. Insgeheim freue ich mich ja, wenn ein neues Projekt auf die Nadeln darf. Von meiner Mütze hab ich noch Wolle übrig – hoffentlich reicht sie für eine zweite!
Ich fühl mich so reich, auch wenn wir nach dem Umbau des Hauses mit leeren Taschen dastehen. Vielleicht will ich Reichtum ganz neu definieren: Er liegt in unseren Freundschaften, in unseren Kindern und Ehepartnern, in der Arbeit unserer Hände, im Schlaf, im Teilen, im Brotbrechen, in guten Worten, die wir sprechen, schreiben, empfangen.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen dort draußen eine REICHE Woche!!
Liebe Veronika, warst du in Backnang bei den Liebenzellern? Die Fotos sehen danach aus… habe meine ersten Familienjshre dort verbracht, war gute Zeit,,,!
Danke an dieser Stelle für deinen Blog, mich berührt deine ehrliche Sicht und Sprache auf besondere Weise…
Liebste Grüße – Bea
Hi Bea, genau: das war bei den Liebenzellern. Tolle Leute 🙂
Hallo! So ein schöner Text! Ich schwanke auch immer zwischen meiner introvertierten Seite und der, die Menschen als wertvolles Geschenk ansieht. Ist immer ein Spagat.
Was mich aber heute bewegt: wir sind genau auch nach einer langen Zeit Freikirche wieder in der Landeskirche gelandet. Tat und auch erstmal gut. Aber einfach ist es nicht, oder? Das, was die Kirche vertritt, ist irgendwie manchmal schwierig mitzutragen. Jedenfalls bei uns.
Das klingt wirklich schön. Willkommen in der “langweiligen” Landeskirche 😆. Eine Freundin aus unserer Gemeinde sagte kürzlich, irgendwann landen sie doch alle dort 😁. Nur Mut, nach Jahren voller trauriger Gottesdienste mit fünf anderen und Liebäugelei mit Freikirchen, habe ich eine Gemeinde gefunden, die lebt und wächst. Meine wichtigste Erkenntnis: es steht und fällt alles mit den Menschen und ihrem Wirken. Wir haben es selbst in der Hand, unsere Gemeinde voran zu bringen.
Ich lese wirklich gerne Lexikon, und Atlas noch dazu. Es war ein glücklicher Tag, an dem ich bei Wikipedia die Schaltfläche “Zufälliger Artikel” fand! (Wobei: ein analoges Lexikon umfängt mich irgendwie immer noch wärmer. Buch. Seiten umblättern. Wissen im ABC-Format erfahren. Und wenns nur das Herkunftswörterbuch ist. Wunderbar.)
Nein, deswegen bist du ganz sicher kein Freak, nichts schräges, seltsames, das man mit Gummihandschuhen besuchen müsste, um sich nicht anzustecken.