Ein hausgemachtes Leben

Ich habe sechs Arbeitsstellen durchlaufen. Meine kürzeste Anstellung währte zwei Wochen. Dort hab ich sofort wieder gekündigt, nachdem ich festgestellt hatte, dass ich nicht dazu tauge mit französischen Handelspartner über den Vertrieb von Rohren zu verhandeln. Vielleicht wäre ich erfolgreicher gewesen – hätte ich in Wirtschafts-Französisch nicht so viel mit meinem Nebensitzer geflirtet! Die längste Anstellung dauerte vier Jahre. Ich habe vier Jahre lang Akten von x nach y geschoben und den Kopierer getreten. Dazu kommen noch die 14 kleineren Jobs, die ich durchlief.

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Aber alle Jobs hatten eines gemeinsam: ich war nicht gerne dort. Stewardess war ganz cool, vor allem, wenn ich mit Rollköfferchen durch Charles-de-Gaulles trippelte und dann ein paar schöne Stunden in einem Pariser Cafe verbummeln konnte. Aber ansonsten? Fehlanzeige. Ich war nie arbeitsunwillig, konnte mich anpassen und schuften wie ein Ochse. Aber innerlich sträubte sich alles gegen die Fremdbestimmung. Ich konnte mich nie daran gewöhnen, dass ich meine Lebenszeit verkaufte. Und jedesmal wenn mich diese Wahrheit zu arg erdrückte, kündigte ich. Mal wieder. Um kurz durchschnaufen zu können. Und zu hoffen, dass es mit dem nächsten Job besser würde. Aber ich endete immer an demselben Punkt: Ich sehnte mich nach einer erfüllenden Arbeit, die ich nie fand. Stattdessen war da der immer wachsende Druck funktionieren zu müssen. Bis ich schier platzte.

Als ich von meiner ersten Schwangerschaft erfuhr, stieß ich ein Freudengeheul aus, das den ganzen Wohnblock erzittern ließ. Die Freude über das lang ersehnte Kind!! Drei Sekunden später die Erkenntnis: Ich muss nicht mehr zur Arbeit. Ich muss keinem Arbeitgeber mehr die Akten hinterhertragen, Gehorsam leisten, mich zu einer Arbeitsstelle quälen, die ich eh nicht sonderlich mag. Ich darf dort sein, wo ich am herzallerliebsten bin. Daheim! Die zweite Freudengeheul-Welle folgte. Die Freude hielt an. Bis heute. Weil ich nie wieder in die normale Arbeitswelt zurückkehrte.

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Im Rückblick erkenne ich heute, dass ich nicht für den Arbeitsmarkt gemacht bin. Ich war ein Landkind, das die Tage im Pappelbaum verträumte, Hühner fütterte, Marmelade kochte, sich mit anderen Kindern kloppte, Kräuter sammelte, Mäuse fing, Bücher las, die Füße ins Wasser baumeln ließ, Geschichten und Briefe schrieb. Das Schulsystem bog mich zurecht. Richtung Arbeitsmarkt. Aber egal, wie sehr ich mich bog, ich schnellte immer wieder zurück in meine Ausgangsrichtung. Und dabei gab ich mir die größte Mühe, mich der kulturellen Prägung zu beugen!

Mit meiner Mutterschaft war ich wieder in meiner Ausgangsrichtung gelandet. Ja, und auch wenn ich mit dem ersten Kind die Selbstbestimmung verlor und erstmal durch einige Krisen wanderte, fühlte ich mich angekommen. Armin und ich zogen aufs Land und ich werde nie den ersten Morgen in unserem neuen Zuhause vergessen. Das Bett stand noch nicht und wir nächtigten auf einer Matratze am Boden. Um uns rum türmten sich Kartons. Septemberlicht strömte ins Zimmer und ich hörte einen Hahn krähen und die Kirchturmuhr schlagen. “Ich will uns hier ein Heim schaffen”, beschloss ich und konnte dann gar nicht mehr aufhören zu lachen.

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Meine Gefühle waren zwar hormonell bedingt gedopt, aber dieser Entschluss setzte etwas in Gang. Ich wollte nicht nur passive Hausfrau sein, die sich dem Konsum widmet, sondern unseren Haushalt aktiv gestalten: Kochen, Brot backen, einen Gemüsegarten anpflanzen, Vorräte anlegen, nähen lernen, Dinge reparieren, Möbel restaurieren, Musik machen, meinen Kindern ein anregendes und sicheres Zuhause schaffen, sparsam wirtschaften, stricken, Freunde einladen, Putzmittel und Kosmetik herstellen, usw.

Mit kleinen Kindern waren zunächst nur Mini-Schritte möglich. Aber ich wusste, dass ich endlich ENDLICH am richtigen Ort war. Mit jedem erfolgreichen Back- und Nähversuch wuchs mein Selbstvertrauen und die Freude. Vermisste ich in der ersten Zeit daheim das positive Feedback eines Vorgesetzten oder Kollegen, schöpfte ich mit jeder neu erlernten Fertigkeit aus mir selbst Bestätigung. Ich glaube, dass ich genau das in vielen Jobs vermisst hatte: meine Selbstwirksamkeit.

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Ganz sicher mach hier kein großes Revoluzzer-Ding. Aber ich widersetze mich dem Diktat des hemmungslosen Konsums. Ich widersetze mich dem unerschütterlichen Glauben in die Wirtschaft. Ich übe Widerstand gegen die Angst vor dem Weniger, Langsamer, Genügsamer. Und dieser Widerstand fängt in meinen eigenen vier Wänden an.

Ich bin ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Das fühlt sich verdammt gut an. Nur dass ich heute keine Mäuse mehr mit bloßen Händen fangen würde. Das überlass ich dann mal lieber unserer Katze.

21 Kommentare zu „Ein hausgemachtes Leben

  1. Da sprichst Du mir aus vollstem Herzen. Nach meiner Ausbildung zur Altenpflegerin war ich sogar nur ein halbes Jahr berufstätig und kündigte mit der ersten Schwangerschaft voller Freude. Nach rund 20 Jahren daheim bin ich jetzt nur noch ehrenamtlich tätig und genieße weiterhin viele Freiräume und eine entschleunigte Lebensqualität. Inzwischen darf ich bei den teils erwachsenen Kindern auch die Frucht von dem reifen sehen, was ich oft im Kleinen und Verborgenen säen konnte. Jedenfalls hatte auch ich nie das Gefühl, etwas zu verpassen, sondern habe es als Vorrecht betrachtet, mit ungeteiltem Herzen Mutter und Hausfrau sein zu dürfen. Mögest Du darin auch für Viele zum Vorbild und zur Ermutigerin werden! Gerade Deine kreative Art ist sehr inspirierend und hat nichts mit der Vorstellung vom grauen Hausmütterchen zu tun. Liebe Grüße vom Bodenseelandkind 🙂

  2. Liebe Veronika,
    ich danke dir für so viel Ehrlichkeit. Da finde ich Parallelen zu mir. Seit jeher fühle ich mich der Selbstbestimmung sehr verbunden.
    Lange glaubte ich diese unsere Welt verändern zu können. Viel Kraft und Energie investierte ich. Viel half aber nicht automatisch viel.
    Heute denke und handle ich anders: selbstbestimmt und Werteorientiert. Familie ist ein Wert. Ein Satz Mutter Theresas drückt es eindeutig aus. Er besagt:“ Willst du die Welt verändern, gehe nach Hause und liebe deine Familie“. Ich denke , wenn wir für unsere Werte einstehen, wird dies weit mehr strahlen und die
    Welt folglich positiv beeinflussen.
    Bleib‘ so authentisch und WERTEorientiert !
    Liebe Grüße
    Rosetta

  3. ich sehne mich auch nach Landleben, selber machen und nicht mehr dem Arbeitszeiten einstanzen.
    so schön, wie du das beschrieben hast. da bin jch wieder motiviert, brot zu backen!

  4. Ein Landleben führe ich nun nicht unbedingt und gleichzeitig verstehe ich was du meinst. Ich bin hauptamtlich Mutter und Hausfrau und das gerne. Zwischendurch mal den einen oder anderen Minijob und jetzt wo die Kinder fast alle erwachsen sind habe ich eine Ausbildung zur Seelsorgerin begonnen und dann ist da ja noch mein Blog und mein Ehrenamt in der Gemeinde. Allesamt Dinge die auf “Beziehung” hinweisen. Ich bin ein Beziehungsmensch und in all meinen “Außenjobs” die ich hatte scheiterte ich genau daran – sogar in der Krankenpflege. Oder vielleicht gerade da? Ich nahm mir zu viel Zeit für die Patienten….. Da sagen wir jetzt mal nix. In meinen jetzigen Arbeitsbereichen darf ich Menschlichkeit leben und das ist mir wichtig. Ja in der Erde wühle ich auch wenn ich im Garten bin, wir haben einen “Haus-und Hofhund” …also ein Stück weit Landleben – mein Landleben in meinem Sommerzimmer ! Herzliche Grüße , Sandra

  5. Das kann ich unterschreiben. Ich ticke ganz genauso. Ich liebe dieses Leben als Mutter meiner Kinder und auch als Hausfrau. Ich liebe es, etwas zu erschaffen und ich liebe es jeden Tag zuhause sein zu können. Nicht weg zu müssen, mich nicht unterwerfen müssen. All die Dinge, die du nennst. Ja, ist einfach so. Für mich auch.

    Viele Grüße
    Die Großfamilienmama

  6. Liebe Veronika,
    auch ich finde mich in deinem Text wieder. Was mich dazu aber noch interessieren würde: Wie steht dein Mann dazu? Damit eine Frau voll zuhause sein kann bedingt ja in den meisten Fällen, dass der Mann voll arbeitet. Oder wie ist das bei euch?
    Bei uns ist es so, dass mein Mann auch sehr gerne daheim bei den Kindern und in Haus und Garten sein, wirken und werkeln möchte und deshalb teilen wir uns die Arbeit ausser Haus auf, damit jeder von beidem etwas hat. Eigentlich fände ich es auch schön, “nur” zu Hause zu sein. Aber die Bedürfnisse des Partners waren mir auch wichtig.
    LG Sarah

    1. Liebe Sarah, wir leben die klassische Rollenverteilung. Mein Mann hat gerne seine Computer um sich und ist ein Denker. Er ist weniger Hausmann und überhaupt nicht gerne Gärtner 🙂 Nur in letzter Zeit ist es ein bisschen angespannt, da wir noch einige Restprojekte vom Umbau her haben, für die er nicht genug Zeit hat. Aber wir wuppen das nach und nach im Teamwork.
      LG Veronika

  7. Ich bin berufstätig und Mutter. An manchen Tagen fühlt sich das ziemlich stressig an und es ist ein Balanceakt, allem gerecht zu werden. Trotzdem denke ich, dass ganz zu Hause zu bleiben ja gleichzeitig bedeutet, dass der Mann zwangsläufig die komplette Verantwortung für die materielle Versorgung der Familie hat und wohl nicht auch zu Hause bleiben kann, weil er sich viel lieber ganz den Kindern, dem Haus, dem Garten oder seinen Hobbys widmen möchte. Das solltet ihr Frauen, die ihr nicht arbeitet, im Sinne der Gleichberechtigung auch mitbedenken. Zudem kann so ein Lebensplan durch Krankheit oder andere Schicksalsschläge auch plötzlich nicht mehr funktionieren…

    1. Liebe Dani, erstmal Hut ab! Ich kann mir gut vorstellen, dass du an manchen Tagen in der Zerreißprobe stehst. Bei uns ist es so, dass mein Mann voll arbeitet. Ich arbeite auch voll – nur nicht im gesellschaftlich anerkannten Sinn. Wäre ich berufstätig außer Haus, müssten wir sehr viel mehr Geld ausgeben für Kinderbetreuung (wir haben keine Eltern in der Nähe), für Essen (keiner daheim, der kocht), für Lebensmittel (keiner daheim, der einen Garten anbaut und Brot backt), evtl auch für eine Putzhilfe. Neben der Hausarbeit verdiene ich ebenfalls dazu mit meinem kleinen Gewerbe. Wir haben uns ein Leben aufgebaut, in dem wir gleichberechtigte Partner sind und jeder von uns in die Familie investiert. Kommt ein Schicksalsschlag o.ä., dann werden die Karten neu gemischt. Alles absichern können und wollen wir nicht. Wo meine Sorgen enden, beginnt Vertrauen in Gott.
      Sei herzlich gegrüßt

  8. Ich finde es wunderbar, wenn jede Frau ihren persönlichen Traum und ihre liebsten Vorstellungen vom Leben verwirklichen kann (immer auch am Wohl des Partners und der eigenen Kinder orientiert). Ob als Vollzeit-Mutter und Hausfrau, als Selbstständige oder als Teilnehmende an geregelter Erwerbsarbeit in einem Job, der bestenfalls Spaß macht und Erfüllung bringt. Dass du Veronika, auch durch deine tollen Begabungen wie Fotografieren, Schreiben etc., Hobby, Verdienst, Familie und Haushalt unter einen Hut bringen kannst und du und dein Mann euch obendrein so gut ergänzt, ist wunderbar und man spürt dir deine Freude an diesem Leben ab!
    Noch mittendrin in der Elternzeit für mein Jüngstes von drei Kindern und nach dann insgesamt einer langen “reinen” Familienzeit freue ich persönlich mich schon darauf, in zweieinhalb Jahren wieder in Teilzeit Arbeitsleben-Luft zu schnuppern in meinem Job als Sozialarbeiterin, über den Tellerrand unserer Familie und des Haushalts hinaus zu gucken, auf die Zusammenarbeit mit Kollegen, und durch den Job mein Leben auch ein klein wenig in den Dienst anderer Menschen zu stellen.
    Traurig ist es, wenn Frauen aufgrund ihrer Lebensumstände ein anderes Modell leben müssen, als sie eigentlich möchten, oder als es ihrer Persönlichkeit liegt. Wenn sie berufstätig sein müssen, weil das Gehalt des Partners nicht für die Familie ausreicht, oder weil gar kein Partner da ist, obwohl sie lieber mehr Zeit für Familie und Haushalt hätten. Oder andersrum, wenn sie wegen Krankheit, der Pflege Angehöriger, mangelnder Qualifikation etc. nicht außerhäuslich arbeiten können, obwohl sie gerne würden.
    Deshalb Gott sei Dank, wenn die persönlichen Umstände die Verwirklichung des eigenen Lebenstraums zulassen!

  9. Wenn es so ist, dass unsere Aufgabe darin besteht, die zu werden, als die wir gedacht wurden, dann liest es sich, als seiest du auf dem besten Wege. Schön! Ich hatte irgendwie immer die innere Gewissheit, eine große Familie haben und leben zu wollen und auch zu sollen. Auch wenn diese Art Familie zu leben aus der Zeit gefallen zu sein scheint, bin ich mir doch ganz sicher, dass das mein Weg mit meinen Überzeugungen ist, trotz aller Widerstände. Frohes Werden und Schaffen! Oh, und an dieser Stelle mal ein Danke für die Vordrucke, die du netterweise zur Verfügung gestellt hast! Schwups konnte auf hübsche Weise eine weitere Schmuddelecke beseitigt werden!

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