Ich schreibe diesen Blogbeitrag mit meinem kleinen Mädchen neben mir. Sie ist genauso früh aufgewacht wie ich und alle Versuche, sie wieder ins Bett zu schicken, waren vergebens. Sie will hier sitzen, mir beim Schreiben zusehen und dabei ihre Puppe im Arm halten. Normalerweise macht mir die Zeitumstellung nie etwas aus, aber in dieser Woche leide ich an Jetlag.
Seit ich Kinder habe, sind mir die frühen Morgenstunden immer die liebsten Stunden. Wenn ich dem Tag zusehe, wie er sich langsam reckt und streckt und Farbe bekommt. Dabei ein bisschen lesen, schreiben, in Ruhe Kaffee trinken.
Eigentlich wären wir jetzt in Lissabon oder an einem anderen Ort. Mit dem Verreisen hat es in den Herbstferien aber mal gar nicht geklappt. Mangelnde Motivation und körperliche Gebrechen haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir sind also zu Hause geblieben. Die ersten Tage nagte der Wohlstandsfrust an mir: Alle anderen verreisen und machen coole Sachen, nur wir nicht. Ich bin zum größten Langweiler geworden und seit wann finde ich Stricken und Lesen und Brettspiele anziehender als Reisen? Wann bin ich bitteschön zur Ober-Ommi mutiert??
Da stand ich also mit meinem Jetlag und FOMO-Zustand (Fear Of Missing Out) am Montagmorgen in der Küche und hörte meine Kinder die Treppe runterpoltern. Sie hatten beide lange geschlafen und jetzt lag ein ganzer freier süßer Tag vor ihnen, den sie nach Herzenslust gestalten konnten. Nach dem Frühstück holte Amelie ihr Schreibzeug, um an einer Geschichte weiterzuschreiben. Sie kaute an ihrem Bleistift, überlegte, schrieb, radierte und las mir jeden neuen Abschnitt vor. Josefine schnappte sich den kleinen gelben Hocker, stellte sich ans Waschbecken und machte den Abwasch. Wobei sie weit mehr Spülmittel verwendete als empfohlen. Die Herstellung eines Seifenschaumbergs ist nun mal weitaus aufregender als ein gezielt-effizienter Abwasch. Später verlagerten sich die Tätigkeiten aufs Malen und Puppenspielen. Ich ließ mich vom interessengeleitetem Spiel meiner Kindern anstecken und verzog mich in mein Arbeitszimmer, um an einem Kleid für Josefine weiter zu nähen und dabei Hossa-Talk zu hören. Nachmittags buken die Kinder Schoko-Cookies und brauchten nur minimal meinen Beistand. Abends schnappte ich mir Amelie und wir unternahmen eine Fackelwanderung um den Ebni-See. Die Luft roch nach Frost, am sternenklaren Himmel stand ein dicker Halbmond, der sich im See zusammen mit den Fackeln spiegelte.
Vielleicht brauchen wir ja genau davon mehr? Von diesen unverplanten Tagen, an denen wir nur zusammen sind? Wo Raum ist für spontane Brettspiele, Gespräche, Bücher und Ausflüge? Es sind keine “vergeudeten” Tage, sondern Zeiträume, in denen wir unsere Beziehungen stärken, lernen, Wurzeln an diesem Ort schlagen und immer mehr ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln. Vielleicht ist die Sehnsucht genau danach – Zugehörigkeit!- momentan bei uns allen größer als die Reiselust.
Unsere Bücherregale biegen sich unter der Last von Reiseführern und Alben voller Fotos von vergangenen Abenteuern, aber unsere Hände und Herzen suchen nach einer Heimat, einem Ankerort, an dem unsere Körper und Seelen zur Ruhe kommen.
Also bleiben wir. Ganz ohne FOMO. Wir klinken uns ganz ungeniert aus dem Aktivitäten-Terror aus und pflegen unsere innere Ommi.
nach genau solchen Ferien sehne ich mich gerade. und nein, keine ommi! weil, um ehrlich zu sein, ich könnt auch gerade nur voem Kamin sitzen stricken, lesen, Kürbissuppe kochen,…
Solche Tage tun so gut, und dabei sind sie sooo selten, auch in den Ferien oder vielleicht _gerade_ in den Ferien. Für heute habe ich einen Nichts-geplant-Tag eingeplant, bisher läuft alles bestens 🙂
Viele Grüße
Karin