Freitags-Futter (Obacht, das Futter liegt heut schwer im Magen!)

Eigentlich wollte ich heute etwas Leichtes posten. Ein neues Müsli-Rezept. Oder heitere Anekdötchen der vergangenen Woche. Aber meine Gedanken sind auf Wanderschaft im Land der politischen Irrungen und Wirrungen und der zunehmend schlechten Stimmung in der Gesellschaft.

Liebe Christen, ich muss ein ernstes Wörtchen mit uns reden. Immer stärker nehme ich lähmende Angst und eine damit einhergehende Islamophobie zur Kenntnis. Keine neue Entwicklung. Die hat schon in den 90ern stattgefunden und ich hab damals mit ins “Alle-Moslems-sind-böse-Horn” geblasen. Ich bin erwachsener geworden. Auf meinen Reisen habe ich viele, viele Menschen kennengelernt. Und ich habe einen Jesus kennengelernt, der Außenseitern mit Liebe begegnet und die dadurch Heilung und Veränderung erleben.

Nach all den Ereignissen der letzten Monate tendieren wir immer mehr dazu, eine gesamte Gruppe für ein paar Übeltäter in Sippenhaft zu nehmen. Aus Angst. Wir könnten zu kurz kommen. Wir könnten islamisiert werden. Wir könnten unser Leben verlieren. Wir könnten unsere Machtposition einbüßen. Ach herrje, unser armes christliches Abendland.

Jesus erkennt ja unsere Ängste an: “In der Welt habt ihr Angst.” Und ja, er hat verdammt recht, weil diese Welt oft zum Fürchten ist. Angefangen bei Giftspinnen und Erdbeben bis hin zu Boko Haram und dem Ku Klux Klan. Aber Jesus sagt noch viel öfter:”Fürchte dich nicht.” Nehmen wir diese Aussage genauso ernst wie Aussagen zu Ehebruch und Steuerhinterziehung und sexueller Unmoral?

Lassen wir uns von Furcht steuern, dann glauben wir ihrer Stimme, die uns einredet, dass wir verlieren werden. Angst verzerrt unser Gottesbild und lässt uns vergessen, dass alles  von ihm kommt. Dass alles sowieso ihm und nicht uns gehört. Wir können nur verlieren, wenn wir uns mit Angst an unser Leben, unseren Komfort, unser vermeintliches Recht klammern.

Ich kann nicht anders, als die gegenwärtige Situation durch die Brille des Evangeliums zu betrachten. Ist es für uns Christen wichtig zu gewinnen, eine Machtposition zu erhalten? Geht es Jesus darum?? Haben wir jemals etwas gewonnen, indem wir Menschen ausgegrenzt haben? Haben Menschen jemals Jesus und seine heilende Liebe (die allen gilt) kennengelernt, indem wir ihnen mit Misstrauen und Ablehnung begegnen? Und ich stelle diese Frage nicht nur in Bezug auf den Islam. Sondern auch in Bezug auf Rechtsradikale, Afd-Wähler, ultrarechtskonservative Evangelikale, Trump-Wähler, Biertisch-Redner (alles Gruppen, denen ich mit leichter bis schwerer Ablehnung gegenüber stehe. Ich bin so ein Stümper in Sachen Nächstenliebe…..)

Liebe gewinnt immer. Auch wenn sie nicht auf Gegenliebe stößt. Auch wenn wir dabei verlieren.

Unser Job als Christen ist es nicht Recht zu behalten, eine Machtposition zu verteidigen. Unser Job ist es zu lieben. Und unseren Mund aufzumachen. Letzteres kann ich ganz gut. Ersteres übe ich noch……

Wir werden den Nägeln des Lebens nicht ewig ausweichen können. Sie werden uns treffen. Und dann hoffe ich, dass wir Christen sie mutig entgegen nehmen. Und trotzdem weiterlieben.

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15 Kommentare zu „Freitags-Futter (Obacht, das Futter liegt heut schwer im Magen!)

  1. JA!!!
    So ischs!
    Können Sie das bitte auch in die Faz und die Bild und die anderen großen Zeitungen schreiben, damit möglichst viele Christen wieder dran erinnert werden?

    1. Ich glaube, das sollte eher in der Idea und anderen christlichen Zeitschriften stehen. Die FAZ oder Bild liest unsereins doch gar nicht! Ich frage mich in letzter Zeit regelmäßig, warum unsere christlichen Zeitschriften sich immer noch hauptsächlich mit der Frage beschäftigen, ob Homosexualität Sünde ist, anstatt klar Stellung zum Thema Islamophobie zu beziehen und unsere Chance, als Jesusnachfolger einmal anders wahrgenommen zu werden, zu nutzen.

      1. stimmt auch wieder.
        Ich gehör halt eher zu den faz-Lesern als zu denen der Idea. Die ist mir zu ghettoisiert.

  2. Ja! Du hast recht. Und doch ist es schwer. Ich merke es an mir selbst. Auch ich bin ein bisschen rumgekommen in der Welt, habe Freunde aus verschiedenen Ländern und Kulturen gefunden, verschiedene Lebensstile gesehen und verschiedene Religionen kennengelernt. Es fällt mir persönlich leicht Ja zu sagen, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht, von Menschen, die ihre Heimat verloren haben und die vor dem ganzen Wahnsinn fliehen, der uns nun ja zum Teil auch in Europa heimsucht. Aber ich erwische mich auch bei anderen Gedanken, ich bin ganz ehrlich. Immer öfter ertappe ich mich selbst dabei, wie ich kritisch um mich schaue. Wie ich die jungen Männer argwöhnisch beäuge, die im Flüchtlingsheim wohnen und sich immer in Gruppen in einem Gebüsch in der Nähe aufhalten. Wie ich mich umschaue, wenn ich auf einem öffentlichen Platz bin. Wie ich am Karfreitag das erste Mal überhaupt ungern in Europa unterwegs war – ich bin es sonst immer so gern gewesen – gern unterwegs, gern auf der Straße, gern in unseren Nachbarländern. Diesmal fragte ich mich, wer da wohl gerade noch unterwegs sein könnte, auf der Flucht vor der Polizei, auf dem Weg zu neuen Schreckenstaten – und ich sah mich argwöhnisch um. Ich mag das nicht – ich will offen bleiben und neugierig. Ich will mir nicht die Frage stellen, wer da noch zu uns kommt, außer denen, die wirklich Hilfe brauchen – aber ich merke, dass es schwer ist.
    Was die Nächstenliebe gegenüber ganz anderen Gruppen angeht, tue ich mich noch viel, viel schwerer. Auf Facebook entfreunden viele meiner Freunde gerade im großen Stil Menschen, die Links von der AfD oder von PEGIDA teilen. Eigentlich finde ich das gut und vor allem nervenschonender. Ein paar habe ich auch schon rausgekickt. Anderseits, wenn man sie einfach rauswirft, dann werden sie nie anderen Meinungen lesen. Also versuche ich mit ihnen zu diskutieren. Aber dabei wirklich Nächstenliebe zu zeigen, scheint mir schier unmöglich. Im Gegenteil, ich koche innerlich vor Wut und eigentlich habe ich fast nur Verachtung übrig für das, was diese Leute von sich geben. Den Mund aufmachen, ja das kann ich in diesen Situationen auch gut (und ich ärgere mich hinterher fast immer, dass ich es getan habe), aber den anderen trotz krudester Thesen mit Respekt, Nächstenliebe und einem ehrlichen Diskursangebot zu antworten, dazu bin ich fast nicht in der Lage.
    Aber als Christin müsste ich es doch versuchen.

    1. Ich verstehe dich vollkommen. Dieses Angst-Phänomen kenne ich aus meiner Zeit in Israel. Wenn ich dort im Bus saß, habe ich jeden Fahrgast genau angesehen. Sah einer arabisch aus, stieg mein Blutdruck. Könnte ja ein potenzieller Selbstmordattentäter sein. Manchmal hab ich echt Blut und Wasser geschwitzt und hab nur darauf gewartet, dass wir in die Luft fliegen….
      Auf Facebook beteilige ich mich nicht mehr, weil es bei solchen Diskussionen ja gar nicht darum geht, dem anderen zuzuhören, sondern Recht zu haben. Ach, es ist nicht so einfach…..

  3. Ich denke mir auf Facebook manchmal auch, dass ich sicher nicht diejenigen überzeugen werde, mit denen ich eigentlich diskutiere. Aber ich denke, wenn die Fakten, die ich den Verschwörungstheorien dort entgegenstelle, vielleicht einen überzeugen, der noch nicht ganz genau weiß, was er zum Thema denken soll und der gerade mitliest, dann ist ja vielleicht was gewonnen. Aber vielleicht ist das auch naiv. Letztlich ist es oft auch so, dass ich den ganzen Schwachsinn oft auch nicht unkommentiert stehen lassen kann.
    Anderseits kenne ich wirklich auch Leute, die nicht von Grund auf böse sind, nicht im klassischen Sinne rassistisch und gar nicht ganz doof – aber extrem unbelesen und angstgesteuert und da finde ich es dann wiederum wichtig und vielleicht sogar nützlich, meine Sicht mitzuteilen. Allerdings weiß ich auch nicht wirklich, ob das was bringt, denn Angst lässt sich bekanntlich nur schwer wegreden, wenn sie sich einmal eingefressen hat.
    Ja, es ist alles total schwierig.

  4. Liebe Veronika, liebe Vor-Kommentatorinnen,
    ich finde es nicht schlimm, wenn wir uns vor Unbekannten/m fürchten, sondern ganz normal. Sonst wären wir als Menschen schon ausgestorben (Säbelzahntiger und so).
    Ich finde es nur gefährlich, wenn wir nicht merken, dass unsere Gefühle Gefühle sind und nichts anderes. Wenn wir denken “Ich habe Angst, also muss der da ja gefährlich sein. Ich habe recht mit meinem Urteil, auch wenn ich keine Fakten kenne.” Sobald wir reflektieren, uns Gedanken machen, ist das doch schon die halbe Miete.
    Zur Angstüberwindung empfehle ich, den direkten Kontakt “mit denen” zu suchen (wisst ihr ja eh schon, dass das gut ist, aber ich sachs einfach nochmal). Dann merkt frau nämlich ganz schnell, dass es sich um in jeder Hinsicht ganz normale Menschen handelt.
    Ich gehe immer mal wieder zu “unseren afghanischen und syrischen Jungs” im Dorf einen Tee trinken. Mit manchen kann ich richtig Spaß haben, manche mag ich nicht so gern.
    Dabei habe ich schon viel über den Islam gelernt (und bin immer noch nicht islamisiert) und auch schon über Jesus gesprochen (und ich bin echt keine Missionarin). Ich finde es richtig toll, dass die Jungs das mit dem Beten so ernst nehmen (in meinem deutschen Freundeskreis gibt niemand zu, dass er betet) und sehe, dass es ihnen viel Stabilität gibt, hier in diesem fremden Land. Das hat mich inspiriert, mir selbst regelmäßig Zeit zum Beten zu nehmen. Dabei thematisiere ich auch meine Ängste und Vorurteile. Und so schließt sich der Kreis.
    Sorry für dieses lange Wort zum Montag!

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