Gestern Nacht bin ich vom Book-Club nach Hause gefahren. Von einer Nebelbank in die andere. Die Straße war nass und am Himmel hing der volle helle Mond. Ich habe später geschlafen wie ein Stein. Und dabei von Menschen und Büchern geträumt. Heute morgen hing der Nebel immer noch schwer wie eine nasse Wolldecke auf dem Haus. Ich wollte schnell-schnell machen und die Kinder scheuchen. Aber stattdessen machte ich mir noch einen heißen Kaffee, setzte mich zurück an den Tisch und beobachtete einfach nur die Mädchen beim Müsli-Matschen und ihrer Unterhemden-Schlacht. Meinem Mecker-Impuls befahl ich, einfach mal die Klappe zu halten. Ich nahm noch einen Schluck vom Kaffee und sah hinaus in den grauen Oktober-Morgen. Langsam lichtete sich der Nebel draußen und in meinem Kopf.
Zu lange hatte ich negative Gefühle weggedrückt. Mein Bewältigungs-Mechanismus fürs Leben ist nämlich das Ignorieren meiner Gefühlslagen. Das geht eine Weile echt prima. Vor allem, wenn sich ein gut gefüllter Kühlschrank und Weinkeller in der Nähe befinden. Ich schlucke meinen Ärger, meine Verletzlichkeit, meinen Stress weg. Blöd nur, dass meine Klamotten anfangen zu schrumpfen und ich morgens Kopfweh habe.
Im Kühlschrank steht jetzt nur noch so gesunder Kram wie Hummus und verschrumpelte Karotten rum. Und im Weinkeller befindet sich lediglich eine Flasche Glühwein aus dem Jahr 2005. Ich habe den Entschluss gefasst, mich dem zu stellen, was das Leben mir so in den Weg schmeißt, anstatt mich hinter dem Snack-Teller zu verstecken oder im Weinglas zu versinken. Daraufhin brach der Damm. Jeden Tag viele heilsame Tränen. Konflikte. Ich sprach aus, was ich ehrlich fühlte. Und sowas kommt beim Empfänger nicht immer gut an. Gespräche. Beleidigtes Schweigen. Brüllende Rückenschmerzen.
Boah, dachte ich mindestens einmal am Tag, ist Familie anstrengend!
Boah, dachte ich mindestens einmal am Tag, ist Ehe anstrengend!
Boah, dachte ich von der Dämmerung bis Mitternacht, ist so ein Abend ohne Snack und Wein völlig unerträglich!
Ich kämpfe nicht mehr gegen meine Gefühle an. Ich gebe auf. Lasse mich hineinsinken in eine tiefere Wahrheit als meine eigene Wahrheit (“Ich brauche niemanden” “Doch tust du”).
Meine Sicht, wie das Leben zu sein hat tausche ich ein gegen Kapitulation. Weil meine Sicht eh nur immer bis zur nächsten Nebelwand geht. Jetzt stehe ich auf einem Nährboden, auf dem Neues gedeihen kann. Ohne den Schutzschild vor mir hertragend bin ich weit offen für das was kommt. Und auch voll Furcht, so ganz ohne alten Bewältigungs-Mechanismus.
Heute Abend, als ich Amelie ins Bett brachte, äußerte sie einen Wunsch. Freitag Abend möchte sie sich mit mir im Dunkeln unter einen Busch setzen. Eine Laterne anzünden. Geschichten erzählen. Punsch trinken. Sterne beobachten.
“Und wenn Nebel ist?” fragte ich.
“Na und? Der stört mich nicht. Ich muss die Sterne nicht sehen. Hauptsache, du bist dabei,” antwortete Amelie, gab mir einen Kuss und drehte sich auf die Seite.
Ich muss meinen Weg nicht klar sehen müssen. Aber ich muss den sehen, der mit mir auf dem Weg unterwegs ist.
Liebe Veronica, danke! Manchmal denke ich, dass ich zu empfindlich bin, Gefühlslagen zu ernst nehme und mich gefälligst mal nicht so anstellen soll…. dann lese ich deinen Zeile und denke: Ja, ich bin nicht allein damit. Und es ist gut, sich dem inneren Aufruhr zu stellen….. DANKE!
Oh, ich kann dich so gut verstehen!! Im Moment gehts mir ganz ähnlich und ich geh auch gerade durch Wochen des Nebels und des Kapitulierens. Kopf hoch – du bist unendlich geliebt. Wein und Snacks haben noch nie wirklich ein Problem gelöst – aber manchmal hilft uns einfach dieses schnelle gute Gefühl. Mein Hosenknopf hat mir das auch wieder klar gemacht … und nun lasse ich die Gefühle wieder hochkommen, achte auf meine Seele und lebe endlich wieder leichter – sowohl im Kopf als auch im Herzen als auch mit meinem Körper. In diesem Sinne – ALLES LIEBE – Anett