Jeden Mittag falle ich schwer auf die Couch. Immer genau auf die Stelle, wo mir vor fast sieben Jahren die Fruchtblase geplatzt ist. Ich falle schwer auf diesen ehemaligen Fleck und sacke in einen kurzen Erschöpfungsschlaf, aus dem ich mich mühsam wieder hochrappeln muss.
Die erste Schulwoche ist fast rum. Meine Gefühle, meine Kraft werden jeden Tag durch einen Fleischwolf gepresst bis fast nichts mehr davon übrig ist. An den Rändern meiner Kraft winken mir die Kumpels Überforderung und Zorn zu. Ich winke nicht zurück.
Mein Schulkind hat – genau wie ich – Schwierigkeiten mit Veränderungen. Wir haben uns auf diesen neuen Lebensabschnitt gefreut, aber der Übergang ist schwer. Schwerer als gedacht. Die Emotionen schießen von Zimmer zu Zimmer. In die Höhe und sofort danach in die Tiefe. Mir ist schwindlig von all den Forderungen, Wutschreiern, Trotzanfällen, Rebellionstänzen. Dazwischen quetsche ich Vorbereitungen für meine morgige Buch-Party und Telefonate und Hauskreis und Konfliktbewältigung und Putzarbeiten und Einkäufe und Tomatengießen. Am Abend fallen wir beide, Mutter und Tochter, frustriert und ratlos ins Bett. Dort fließen Tränen, Bitten werden ins Kopfkissen geflüstert und dann wollen wir den anderen aus der Umarmung nicht mehr freilassen. Weil wir sonst Angst haben, dass er uns entgleitet.
An solchen Tagen, in solchen Wochen muss ich mich auf unseren kleinsten gemeinsamen Nenner berufen. Und das ist die Liebessprache meiner Tochter: Vorlesen. Wenn ich sie frage: “Soll ich dir was vorlesen,” dann leuchten ihre Augen endlich wieder auf. Sie drückt mir den “Räuber Hotzenplotz” in die Hand und kuschelt sich an mich. Ich klappe den Laptop zu, gehe nicht ans Telefon, sondern tauche ein in die Welt des Seppels und des Kasperls und des Wachtmeister Dimpfelmosers.
Wenn sich in unserem Alltag Konflikt an Konflikt reiht, wenn die Arbeitslast zu erdrücken droht, dann treten wir einen Schritt zurück. Drücken den Pausenknopf. Besinnen uns auf das, was uns näher zueinander bringt. In solchen Zeiten brauchen wir mehr denn je unsere kleinen Vergnügungen. Zeichen dafür, dass nicht alles nur schwer und freudlos ist. Ich brauche hier und da zehn Minuten Bücher- und Näh- und Gilmore-Girl-Zeit. Amelie braucht Vorlese- und Katzenkuschelzeit. Josefine braucht Mal- und Feuerwehrauto-Zeit. Armin braucht eine Runde Basketball und dann eine Folge “Monk”.
Morgen früh wird wieder ein begeistertes Kind mit viel zu großen Schulranzen auf dem Rücken zum Gartentor rennen. Und dann weiter, alleine zur Bushaltestelle (“Ich bin kein Baby mehr, Mama!”). Um mittags müde und vollgepackt mit Emotionen und unverarbeiteten Erlebnissen wieder nach Hause zu kommen. Dort, wo wir essen und schimpfen, kuscheln und vorlesen, Kuchen naschen und gemeinsam beten, Strafen verhängen und uns über den Räuber Hotzenplotz kaputt lachen.
ich unterricht ja so kleine Wusels seit heuer… das ist gar nicht so ohne was sie aufeinmal alles verschaffen müssen…aber mit der Zeit sollte es besser werden..
wir merken nur,dass das für Ganztagskinder,die 10 Stunden an der Schule sind echt heftigst übel ist.
Hab sie einfach lieb,das ist das beste was du tun und geben kannst…
Ja, den gleichen Gedanken an die Ganztagskinder hatte ich letzte Woche auch. Ich wüsste nicht, wie mein Kind das verkraften sollte. Sie ist nach vier Schulstunden komplett erledigt und braucht dann erstmal ganz viel Rückzug hier daheim. Und ja, sie einfach lieb haben, auch in ihren unmöglichsten Momenten. Nicht immer einfach, aber wirksam.
Hey, viel Kraft und Freude für die Schulzeit! Da du Gilmore Girls angesprochen hast, ist mir ein sehr guter Blogpost eingefallen, den ich diese Woche gelesen habe und dir auch empfehlen möchte 🙂 http://hannahbrencher.com/2015/09/21/the-elvis-in-the-room/
Liebe Grüße, Anne
Wow, danke für den Link!
Ich kann absolut, 100%ig mitfühlen! Unsere Einschulung ist jetzt 4 Wochen her und wir haben uns immer noch nicht richtig daran gewöhnt. Vor allem ich nicht. Jeder Tag fühlt sich anstrengend und noch voller an als er früher eh schon war. Ich quetsche Arbeit, Artikel und Uni dazwischen. Das Schulmädchen klebt derweil an mir, weicht nicht von meiner Seite und fordert Zweisamkeit. Leider oft zu wenig Zeit.
Danke!
Die ersten sechs Wochen waren auch so schwer für mich und beide Kinder (jetzt zweite und vierte Klasse), dass ich jeden Tag heulend meine Freundin angerufen habe. Nun ruft sie mich seit letzten Montag heulend an. Dabei hätte ich das alles ahnen und wissen können, bin ich doch selber Grundschullehrerin…
Nach den Herbstferien sieht die Welt ganz sicher besser aus. Für meine eignen und auch die Kinder in unserer Schule ist das immer eine kurze Pause, in der man nochmal Luft holen kann und dann ganz neu startet.
Bis dahin habe ich immer ganz viel mit Bachblüten gearbeitet, von HS und gibt es superleckere Bachblütentees (meine Kinder mögen sie sehr) , unter anderem auch “Mut und Kraft” , “Glückliche Mutter” und “Schülerglück” (den trinken wir immer im Lehrerzimmer :o)
http://katalog.hstee.de/index.php?cPath=49
Danke, es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine damit ist. Wir warten geduldig ab, bis sich alles eingespielt hat!
Hei, heute mittag wurde endlich dein Buch geliefert, nach unzähligen Mails von Amazon wegen Verzögerung…
Das wird heute Abend ein schöner Ausgleich zum Schulstress! Vielen Dank! Ich freu mich jetzt schon drauf, wenn meine drei endlich im Bett liegen.
Liebe Grüße, Judith
Oh liebe Veronika, Du weißt gar nicht wie sehr Du mir mit Deinem Text aus der Seele sprichst… zwischen zwei Schulkindern (Klasse 3 und 4), einem Vorschüler und einer fast dreijährigen ich-will-auch-unbedingt-in-Kindi-Tochter weiß ich Mittags manchmal nicht mehr, wo mir der Kopf steht… den Pausenknopf such ich immer wieder, finde ihn aber leider zu selten… da kochen die Emotionen auf beiden Seiten oft hoch und es hilft nur, ruhig zu werden und allen Druck rauszunehmen… Liebe Grüße und gute Nerven für diese neue Woche von fast nebenan, Miri