Inseln

Ein ganz normaler Mittwoch-Mittag. Ich komme am Kindergarten an. Ein Knäuel aus rotwangingen, zerzausten Mädchen, schmutzigen Taschen, Fahrradhelmen und Gemälden stürmt mir entgegen. „Was gibt es heut zum Mittagessen, Mama?“ Meine Antwort (Hirsebratlinge) löst Kinder-Krawall aus. Ich bleibe hart, putze eine kleine triefende Nase und bugsiere meine wildgewordenen Kinder ins Auto.

Josefine ist mit ihren drei Jahren nach dem Kindergarten so müde, dass sie oft weint, sich auf dem Boden schmeißt. Ein Kampf mit einer Krake stell ich mir einfacher vor, als dieses erschöpfte Kind auszuziehen, ihm die Hände zu waschen und an den Tisch zu setzen. Gleichzeitig möchte ich mich aber auch Amelie zuwenden, die tapfer die große, vernünftige Tochter spielt. Sie hat keine andere Wahl, denn für mehr als ein kreischendes Kind reichen meine Nerven nicht aus. Am Tisch atmen wir alle auf. Hier ist der Ort, an dem wir zur Ruhe kommen, Kraft tanken, lachen, reden. Und die Hirsebratlinge werden nach einer unerklärbaren Sinneswandlung ohne Gemecker verputzt.

Jetzt brauchen meine Mädchen ihre Kuschel-Einheit. Sie holen sich den Trost und die Geborgenheit, die sie nach einem Kindergartenvormittag brauchen. Meine Gedanken wollen zu den Dingen vorauseilen, die noch erledigt werden müssen und ich fühle die Ungeduld körperlich spürbar in mir hochsteigen. Aber ich zwinge meine Gedanken zurück in die Gegenwart. „Hier“, scheint Gott mir zuzuflüstern, „sind zwei Mädchen, die gerade glücklich sind, dich ganz zu haben und die nach deiner Aufmerksamkeit lechzen.“

 Hier bin ich richtig. Jetzt. Wir atmen alle auf, kuscheln noch eine Weile weiter. Dann spüre ich, wie meine Kinder vollgetankt sind, mit Liebe und neuer Power.

Wir brauchen diese Inseln in unserem Alltag, der nämlich nicht nur für uns hektisch sein kann, sondern auch für unsere Kinder. Liebe, Ruhe und gutes Essen tanken. Das Tun unterbrechen mit einer Umarmung, sich an den Tisch setzen, nachfragen, zuhören.

Ich brauche das. Meine Kinder brauchen das. Mein Mann braucht das.

Ohne diese Inseln ertrinken wir in dem Strudel aus Anforderungen, anstrengenden Beziehungen und Aktivität.

PS: Eine meiner Inseln ist dieser Blog, der meinen Gedanken und Ideen eine Stimme verleiht. Heute hat er Jubiläum – ich schreibe den 300. Eintrag. Danke an alle, die hier mitlesen und mir bisher Rückmeldung gegeben haben! 

8 Kommentare zu „Inseln

  1. Liebe Veronika! Herzlichen Gückwunsch zum 300. Eintrag! Ich bin so dankbar für die kleine Ruheinsel in meinem Alltag, wenn ich deinen Blogeintrag lesen kann, dabei ermutigt werde, mich verstanden fühle, neue Ideen bekomme und über schöne Bilder staunen kann. DANKE.

  2. Obwohl ich keine Kinder mehr zuhause habe, lese ich deinen blog von Herzen gerne und finde mich in Vielem wieder. Herzlichen Dank und Segen fürs weiterschreiben auf deiner blog-Insel.
    Liebste Grüße,
    Frau Pe

  3. Auch für mich ist das Lesen Deines Blogs eine erholsame Insel, ich schmunzle über Deine Alltagssituationen, die ich so gut kenne, auch wenn meine Kinder bereits flügge geworden sind. Du machst das prima – die Erziehung Deiner Kinder und das Blog schreiben – weiter so! Und herzlichen Glückwunsch zu Deinem 3oo sten Eintrag, Ursula

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