Nie fertig….

Auch wenn die Weihnachtszeit für mich vorbei ist, so erinnern mich ein nadelnder Baum, eine katastrophal überquellende Papiertonne, trockene Plätzchenreste und prallvolle Foto-Ordner an die wunderbare Zeit, die hinter uns liegt. Nach einem hektischen Sommer und einem vollen Herbst habe ich mich lange auf die Zeit zwischen Weihnachten und jetzt gefreut. Ich habe mich eingeigelt mit vielen Büchern, Filmen, meinem Stickzeug und zu vielen Snacks. Telefon und Email ignorierte ich die meiste Zeit. Erst an Silvester verließen wir unseren Kokon, blinzelten wohnungsblind in die Sonne und machten uns auf zu Freunden, mit denen ich bisher gefühlte 67 Mal Silvester gefeiert hatte.  Danach igelte ich mich wieder ein und genoss den Zustand, mich nur um meine Kinder und sporadisch auch um den Haushalt kümmern zu müssen. Vorgestern trauten wir uns nochmal aus dem Kokon….zum Shoppen nach Schwäbisch Hall. H&M und ich hatten nämlich ein heißes Date. Eigentlich wollte ich ja nur einen Schlafanzug für Amelie kaufen, aber mich traf das Ikea-Phänomen. Statt 12,99 für den geplanten Artikel auszugeben, belief sich am Ende die Rechnung auf das Zehnfache. Ich konnte einfach nicht an den reduzierten Wollpullis vorbei…und das Tuch musste auch noch mit…..hmmm, eine Statement-Kette wollte ich mir auch schon seit geraumer Zeit zulegen – wie praktisch, dass dort welche hingen!  In der Umkleide betrachtete ich mich und meine Auswahl oberkritisch. In meinem Kopf ist nämlich neuerdings beim Shoppen immer Guido Maria Kretschmar dabei. Als ich mich in ein bundeswehrfarbenes Oberteil zwängte, konnte ich ihn sein typisches Ächzen hören: “Ach Gott, Kind. Presswurst-Alarm! Bitte bitte zieh das sofort wieder aus!”. Ok, Guido. Danke, dass es dich gibt. Dank dir werde ich zur besseren Shopperin.

Gestern morgen genoss ich den Vormittag mit meinem Mann (die Mädels waren im Kindergarten). Seltener Luxus. Die Couch nur für uns. Gespräche, die nicht unterbrochen werden. Kaffee, der nicht kalt wird, weil man die Barbie UNBEDINGT UND GANZ GANZ SCHNELL reparieren muss. Wir schrieben, lasen in der Bibel und redeten darüber, was uns gerade beschäftigt (klingt als wären wir Ehe-Streber, aber wir schaffen das nur  ca. fünf Mal im Jahr). Beim Schreiben und Reden wurde mir klar, dass ich die Zeit in meinem Kokon genossen habe, aber dass mein Rückzug in einer Totalverweigerung endete. Da hatte ich keine Lust, mich mit anderen Menschen auseinander zu setzen, da wollte ich mich an keine Ernährungsratschläge halten, da schaute ich keine Nachrichten, ich betete nicht, ich ging nicht ans Telefon. Und plötzlich wurde aus dem gemütlichen Kokon eine einsame Insel, auf der Depression und Schuldgefühle und Scham auf mich lauerten. Denn ohne andere Menschen, ohne die Verbindung mit ihnen, ohne Verbindung zu Gott werden Stimmen in meinem Kopf laut, die mir einflüstern, dass ich ein Loser und nicht liebenswert bin. In den letzten Tagen hörte ich diese vergiftende Stimme fast permanent. Aber bevor das Gift in mir seine Wirkung entfalten konnte, floh ich. Zu meinem Mann. Zu einer Freundin. Ich sprach all das aus, was seit einiger Zeit in meinem Herzen rumort. Wir beteten zusammen. Die giftige Stimme in uns verstummt, wenn wir unsere eigene Stimme erheben und das aussprechen, was uns Not macht und wenn wir Mitgefühl bekommen. Ich durfte wieder erfahren: Auch wenn ich zum zigsten Mal in meinem Leben an diesem Punkt bin, werde ich nicht verurteilt oder weniger geliebt.

Und: Ich werde nie fertig sein. Mein Leben folgt keiner statischen Linie bis zu einem Punkt, an dem ich irgendwann (wenn ich mich genügend bemüht habe!) ein fertiger Mensch ist. Mein Leben ist vielmehr ein lebendiger Organismus, der atmet und lernt und mal dahin und dorthin drängt, der Träumen folgt und scheitert, der glaubt und zweifelt, der hinfällt und aufsteht.

So, und um diese tiefen Gedanken nicht noch weiter ausführen zu müssen, lad ich lieber noch ein paar Bilder der vergangenen Tage hoch. Einverstanden?

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