“Du hast doch jetzt Zeit ohne Ende!” klingt es von allen Seiten, seitdem Josefine im Kindergarten ist. Ah ja. Nein.
Sobald früh die Kinder aus dem Haus sind, verfällt unser Haus in bleischwere Stille. Dann stehe ich, noch im Pyjama, in der Küche, mache mir Tee und plane in Ruhe den Tag. Das kochende Wasser ist das einzige Geräusch, das an mein Ohr dringt. Zum ersten Mal seit langem kann ich einen Gedanken ohne Unterbrechung zu Ende denken. Das fühlt sich ungewohnt an und irgendwie misstraue ich noch der Stille. Manchmal bummel ich dann ein wenig ziellos durchs Haus. Nehm alte Tagebücher zur Hand, lese ein paar Zeilen, lege es dann schamesrot wieder weg. Oder ich zupf mir die Augenbrauen. Nach der Tasse Tee und einer Dusche komm ich in Fahrt, reiße die Tür zur Putzkammer auf und rufe: Los gehts Genossen, hier kommt die Putzqueen, auf in den Kampf!!
Und wie es dann losgeht! Ich habe mir nämlich vorgenommen, jeden Tag einen Raum komplett zu reinigen und zu entrümpeln. Mit jedem erledigten Zimmer atme ich mehr durch. Unbrauchbar gewordene Dinge wandern sofort und ohne Gnade in die Mülltonne. Bei anderem Kram überlege ich mir, wann ich das Ding zum letzten Mal tatsächlich gebraucht habe. In den letzten drei Jahren nicht mehr? Ab in den Karton für die Wohlfahrt. Alte Bettbezüge? Super, ab damit in die Kiste für meine Nähprojekte. Daraus könnte ein Kinderpyjama oder ein Regalvorhang entstehen. Meine ausgemisteten Schals und High Heels? In die Verkleidungskiste für meine Kinder. Damit sie feine Dame spielen können.
Und dann kommen Putzeimer, Staubwedel und Schmutzradierer zum Einsatz. Überhaupt SCHMUTZRADIERER! Was für eine geniale Erfindung. Auf unseren Türen klebt die Geschichte des Drecks (Babybrei, Kürbispampe, Fingerfarben, Matsch). Alles Geschichte mit dem Schmutzradierer. Ich habe ihm einen Ehrenplatz in der Putzkammer verliehen für seine außerordentlichen Leistungen.
Gestern hat draußen die Novembersonne geschienen. Ich schmiss die Kinder aus dem Haus, denn die Tage sind gezählt, bis wir in unseren (sauberen!) vier Wänden eingesperrt sein werden. Wir werkelten im Freien bis die Sonne langsam unterging. Amelie wollte eine Fahrradtour machen. Also packte ich Josefine auf ihren Fahrradsitz, Amelie schwang sich auf ihr pinkes Fahrrad und los ging’s. Ich war zuerst sehr unwillig, denn nach einem Tag Arbeit im Freien stand mir echt nicht der Sinn nach einer Fahrradtour. Eher nach der Couch. Aber dieses Mal war ich froh, dass mich meine Tochter überredet hat. Die Sonne stand bereits so tief, dass sie den Wald, die Kuhweiden und die Felder anstrahlte. Die Farben raubten mir fast den Atem (oder war es die leichte Anhöhe?). Der Wind raschelte durch die Maisfelder und es roch nach Erde. Als würde der Tag mir zulächeln und sagen: “Ich bestehe nicht nur aus Arbeit und Aufgaben, sondern auch aus purer Lebensfreude. Siehst du?” Danke Amelie. Danke November.
Hallo Veronika!
Genau vor einem Jahr, als mein Großer in den Kindergarten kam und ich mit Sohn Nr. 2 schwanger war, hatte ich genau dasselbe Vorhaben geplant: Tag für Tag ein Zimmer ausmisten und putzen. Aber ich bin kläglich gescheitert. An einem Vormittag Schränke ausmisten und putzen… Lampen… Türen… Fenster… Heizungen… für mich nicht zu schaffen. Muss aber auch zugeben dass ich Perfektionistin bin. Nach einem Raum hab’ ich es dann aufgegeben. Ich find’s toll wie Sie alles schaffen! Inzwischen ist Sohn Nr. 2 acht Monate alt und das Projekt “Entrümpelung und Großputz” liegt erst mal auf Eis.
Ihr Blog ist einfach bereichernd… danke dafür!
Alles Gute für Sie!
Liebe Grüße, Dagmar