Mein Bestes

Wieder einen Tag rumgebracht. Das Haus ist ruhig, die Kinder schlafen. Heute hat es lange gedauert, sie zum Schlafen zu bewegen. Ich musste viel kuscheln, trösten, Rücken kraulen, Lieblingskuscheltier suchen. Und glaubt mir: ich habe das alles sehr sehr sehr genervt getan. Zwischendrin ein wichtiges Telefonat geführt. Dann in Richtung Kinderzimmer gebrüllt, DASS JETZT ENDLICH RUHE IST, SONST KOMMT DIESES JAHR DAS CHRISTKIND NICHT UND ÜBERHAUPT IHR SEID DOCH KEINE BABIES MEHR UND ICH HÄTTE JETZT AUCH GERNE MAL FEIERABEND. Ja, genau das habe ich gebrüllt. Mir war, als hätte ein zweites Ich diese Situation von außen betrachtet und ungläubig den Kopf über diese völlig überforderte, pädagogisch fragwürdige Mutter geschüttelt.

Fakt ist: Ich gebe mein Herz, meine Zeit, meine Kreativität für meine Kinder. Ich liebe sie so sehr, dass es mich erstaunt, wieviel Platz in meinem Herzen tatsächlich ist. Da ist immer noch mehr, als ich denke. Ich will ihr Bestes, ich will sie gut erziehen, ich will ihnen die Welt zeigen, Interesse an der Natur, an Büchern, an der Kunst wecken. Fakt ist: Ich versage auch. Immer und immer und immer wieder. Und jedes Mal denke ich: jetzt hab ich es versemmelt. Am besten fange ich schon heute das Sparen an, um ihnen später den Psychiater zu ermöglichen.

Vor einigen Tagen hat mir eine liebe Blogleserin den Link zu diesem Video geschickt (das mittlerweile seine Kreise auf FB zieht) mit dem Wortlaut: “…da musste ich, warum auch immer, an dich denken.”

Ich habe  geweint. Mir wurde klar, dass wir Mütter alle in sehr ähnlichen Booten unterwegs sind. Immer angetrieben von Liebe, oft gebremst von Schuldgefühlen,  manchmal auf falschen Kurs durch Fehlverhalten gebracht. Der Seufzer in Sekunde 55 bringt es für mich auf den Punkt. Genau dieser Seufzer bin ich. Und dann die Kinder! Sie zweifeln nicht an der Liebe ihrer Mütter.

Meine Kinder zweifeln nicht an mir. Sie zweifeln jetzt vielleicht am Christkind. Aber nicht an mir. Wir werden noch einige Konflikte durchleben, in denen wir sauer aufeinander sein werden, verletzt und verunsichert. Vielleicht werden wir uns auch mal nicht mögen. Lieben immer.

Das Video hat mir noch etwas klar gemacht. Wir Mütter geben alle unser Bestes. Mein Bestes schaut vielleicht ganz anders aus als das Beste einer anderen Mutter. Wir alle haben ganz unterschiedliche Prägungen und Voraussetzungen. Einige können in einem sehr großen Rahmen lieben, andere nur in einem sehr beschränkten. Ich denke, Kinder spüren es, wenn wir trotz aller Beschränkungen unser Bestes geben.

Vor einigen Jahren saß ich an einem Busbahnhof in Pnom Penh. Eine einheimische Frau hielt mir bettelnd ihre zerknitterten Hände hin. Ich war ganz gut darin geworden, zerknitterte Hände zu ignorieren. Denn es gab zuviele davon. Es drängte mich aber, in diese Hände etwas Geld zu legen. Es war nicht viel. Die Frau eilte so schnell sie konnte zu einem Nudelstand, kaufte einen Teller Suppe und eilte weiter zu einer kläglichen Gestalt in einem ebenso kläglichen Rollstuhl. Ihr Kind. Sie lächelte es an. “Schau, was ich für dich habe.” Und sie begann es liebevoll zu füttern.

Diese Mutter gab ihr Bestes. Ihre zerknitterten Hände. Ihre Würde.

Wie schaut unser Bestes heute aus?
Ein paar Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit?
Ein gemeinsamer Spaziergang durch den Regen?
Früher zu Bett gehen?
Eine Umarmung?
Eine Entschuldigung?
Lachen über einen unlustigen Witz?
Den Windeleimer ausleeren?
Einfach nur Überleben?

Ja.

2 Kommentare zu „Mein Bestes

  1. Danke! Gerade heute habe ich auch wieder so sehr an meinen Mutterfähigkeiten gezweifelt. Jetzt habe ich mir das Video angeschaut und bin am Weinen. Ja… ich will heute mein Bestes geben!
    Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und eine gesegnete Woche!
    Liebe Grüße, Dagmar

  2. Danke Veronika. Dein (wie immer-so ehrlicher!) Beitrag und der Video haben mich zum Weinen gebracht…hoffe auch dass mein Kleiner mal so gute Sachen über mich sagt:-).
    Wünsch Dir einen guten Tag!!! LG, Christina

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