Für die meisten ist es hier kein Geheimnis: ich habe einen christlichen Background. Einen ziemlich großen sogar. Und so spielt der Glaube in meinem Leben eine tragende Rolle und Jesus ist der Mittelpunkt davon.
Allerdings bin ich ein rebellischer, hinterfragender Christ, der nicht alles ungeprüft übernimmt und auf jeder neuen Christen-Modewelle surft. Auch pflege ich Abneigung gegen Polemik, Schwarz-Weiß-Denken, Streit über die „richtige“ Art zu glauben sowie absolute Vergeistlichung aller Lebensbereiche.
Bevor ich Mutter wurde, trennte ich mein Leben in zwei Bereiche. Den christlichen Bereich. Und den alltäglichen Bereich.
Der christliche Bereich beinhaltete: Gottesdienst, Lobpreis hören, Hauskreis, christliche Literatur lesen, Bibel lesen, beten, christliche Seminare besuchen.
Der alltägliche Bereich: kochen, Autofahren, Wäsche waschen, einkaufen, Blumen gießen, joggen, telefonieren, schlafen, zu Ikea fahren, essen.
Mein christlicher Lebensstil sollte einem Zweck dienen: Geistliches Wachstum. Ich war voller Feuereifer. Ich brannte darauf „Frucht zu bringen“ (übrigens pflege ich auch eine Abneigung gegen christlichen Jargon) und überhaupt so zu werden, wie einige meiner Vorbilder im Glauben.
Ich kämpfte um mehr Zeit für mein wichtiges geistliches Leben. Denn ich dachte, je mehr Zeit ich damit verbringe, desto näher bin ich Gott. Und desto mehr bringe ich Frucht. Entsprechend genervt war ich oft von den unwichtigen alltäglichen Dingen, die soviel Zeit und Energie raubten. Ich hatte ein permanent schlechtes Gewissen, da ich viele Maßstäbe nicht erreichte. Ich schob die Schuld auf den Alltag, den Stress, all die Aufgaben, die meine wertvolle, für Gott reservierte Zeit fraßen.
Tatsächlich spielte ich eine Zeitlang sogar mit dem Gedanken auf eine Bibelschule zu gehen. Dort könnte ich mich dann ganz ungestört Gott widmen. Ich kam schnell davon ab, als eine christliche Führungspersönlichkeit mir schmunzelnd riet: „Bitte bleib auf dem Teppich und mach was G’scheits.“ Er erkannte meine fehlgeleitete Motivation.
Und dann wurde ich Mutter. Noch weniger Zeit zum Bibellesen, beten, Gottesdienst besuchen. Dafür umso mehr Zeit für einen neuen Lebensrhythmus, der seiner ganz eigenen, wunderschönen, anstrengenden Liturgie folgte: Stillen, Wickeln, Schlafen, Spazierengehen. Stillen, Wickeln, Schlafen, Spazierengehen.
Ich wurde nervös. Wie kann ich denn als Mutter weiterhin Gott nahe bleiben? Ich habe einfach keine Zeit für ausgiebige Stille Zeit, auf Gott hören und für Gottesdienstbesuche!
Mir dämmerte eine neue Wahrheit: auch das alltägliche Leben besitzt eine geistliche Dimension. Es ist auf seine eigene Art heilig. Und wenn ich das nicht erkenne, werde ich immer im Zwiespalt leben, immer mit einem schlechten Gewissen behaftet sein, weil ich „zu wenig“ Zeit mit Gott verbringe. Versteht mich nicht falsch: ich will geistliche Übungen nicht schmälern. Sie sollen ihren Platz im Leben haben. Ich spreche mich nur neuerdings dagegen aus, das eine als höher und wichtiger einzustufen als das andere.
Diese Phase meines Lebens ist von wenig geistlichen Höhenflügen und umso mehr von gleichtönigem Alltag geprägt. Heiligem, langweiligem Alltag. Und trotzdem fühle ich mich Gott nahe
Jedes Mal, wenn ich unseren Pfirsichbaum betrachte, flüstere ich ein leises Danke.
Jedes Mal, wenn ich Kürbissamen aussäe, hoffe ich.
Jedes Mal, wenn ich meinem Kind die Welt erkläre, lehre ich.
Jedes Mal, wenn ich mein Haus für Gäste öffne, diene ich.
Jedes Mal, wenn ich mit meinem Mann den aufgehenden Mond beobachte, staune ich.
Jedes Mal, wenn ich eine Mahlzeit vorbereite, versorge ich.
Jedes Mal, wenn ich von Jesus lese, erkenne ich immer mehr.
Dass er auch ein Mann des Alltäglichen war.
To make bread or love, to dig in the earth, to feed an animal or cook for a stranger-these activities require no extensive commentary, no lucid theology. All they require is someone willing to bend, reach, chop, stir. Most of these tasks are so full of pleasure that there is no need to complicate things by calling them holy. And yet these are the same activities that change lives, sometimes all at once and sometimes more slowly, the way dripping water changes stone.
-Barbara Brown Taylor
Danke Veronika für diese kluge,ermutigende Worte!!!
Liebe Veronika, ich freue mich, dass ich irgendwann mal deinen Blog entdeckt habe. Du hast so einen schnörkellose, herzerfrischende, ehrliche Art Dein Leben zu beschreiben, die zu lesen mir sehr gut tut. Besonders auch wie du über deinen Glauben schreibst. Danke schön!