Putztante

IMG_0199Mit 21 schrubbte ich die Duschen eines Jerusalemer Hostels. Sie hatten es nötig. Und ich hatte das Geld nötig. Wurde damals in mir meine heimliche Liebe zu Ordnung und Sauberkeit geboren? Oder geschah das schon früher, als in meinem Kibbuzzimmer Kakerlaken in der Größe von Hühnerküken hausten und mir der direkte Zusammenhang zwischen mangelnder Hygiene und Insektenbefall auffiel? Spätestens mit meiner ersten richtigen Wohnung brach der Ordnungswahn ungehindert in mir aus. Manch äußere Umstände waren schmerzhaft chaotisch, entzogen sich meiner Kontrolle und so wurden Putzen und Aufräumen zu meinen therapeutischen Hilfsmitteln. Mein Leben war in vielen Bereichen ungeordnet und chaotisch, aber meine Bude strahlte porentief rein und der Nagellack war nach Farben sortiert!

Putzmittel einkaufen entwickelte sich zu meiner heimlichen Leidenschaft. Fensterpolieren und Bücher abstauben versetzte mich in Verzückung. Stundenlang konnte ich selig lächelnd die rotierende, schäumende Wäsche in der Waschmaschine beobachten.

Und dann kam das erste Kind. Super, dachte ich. Endlich darf ich den ganzen Tag daheim bleiben, putzen und mich nebenbei ums Baby kümmern! In den letzten Jahren hatte ich mein Leben geordnet und nun durfte ein Baby nicht wieder alles auf den Kopf stellen. Das hatte ich mir eisern vorgenommen. Als dann unser süßes, hilfsbedürftige Baby in unseren Armen lag, dämmerte es mir langsam, dass nichts mehr so sein würde wie vorher. Hatte ich nachts gefühlte 23 Mal gestillt, dann stand mir tagsüber der Sinn nicht nach Bügeln. Dass sich in unserem Kaffee-Vollautomat Schimmel und Kalk ablagerte, störte mich zwar – ich war aber zu müde, um Maßnahmen zu ergreifen. Sobald Amelie schlief, klemmte ich mir Staubsauger, Putzlappen und Staubwedel unter den Arm und wirbelte damit durchs Haus, um das schlimmste Chaos zu beseitigen. Dann brach ich erschöpft auf der Couch zusammen. Dort lag ich dann zwei Minuten totenstarr, bis mich das Babyfon aus meiner Ruheposition hoch katapultierte.

Dann kam Baby Nr. 2 zur Welt. Josefine richtete sich die ersten Monate bequem im Tragetuch ein. Jede andere Position, die weiter als 10 cm von Mamas Körper entfernt war, löste ohrenbetäubendes Protestgeschrei aus. Ich kenne Mütter, die mit Baby im Tragetuch kochen, Unkraut jäten, stylische Babyhosen nähen, bügeln, staubsaugen und einen Bestseller schreiben. Mir war schleierhaft, wie sie das bewältigen. Alles was ich bewältigte, war stillen und mühsam meinen Verstand beisammen halten. Den Anblick unseres verwahrlosenden Hauses konnte ich trotzdem nicht ertragen und so engagierte mein Mann eine Haushaltshilfe. Mein Seelenfrieden war wieder hergestellt.

Ich hatte von mir selbst ein Bild als Mutter geschaffen, die alles auf die Reihe zu bekommen hat. Ein sauberes, geordnetes Haus, selbstgekochter Möhrenbrei (selbstverständlich aus eigenem Anbau), handgenähte Babydeckchen und Kenntnisse zeitgemäßer Pädagogik. Ich mache das alles tatsächlich sehr gerne. Aber: wenn es mal nicht gut läuft, wenn meine Kinder quer schießen, wenn das Unkraut im Garten überhand nimmt und ich für Besuch aus Zeitmangel nicht selber backe, sondern verschämt zum Bäcker renne, bekommt dieses Bild sofort Risse.

Meine zwei kleinen Mädchen haben mir eine wichtige Lebenslektion erteilt. Ihnen ist nicht wichtig, ob ich eine begnadete Köchin bin und der Boden immer krümelfrei ist. Sie wollen meine Zeit, meine Hingabe, mein Zuhören und mein Herz. So bröckelt mein Bild der perfekten Hausfrau und Mutter Stück um Stück. Und die Lücken kann ich mittlerweile immer mehr mit Gelassenheit und Humor füllen.

Als wir vorgestern mal wieder beim obligatorischen Nutellafrühstück saßen (auch hier bin ich gelassener geworden und meine Mädels dürfen am Wochenende den bösen Brotaufstrich essen), unterhielten wir uns über den vor uns liegenden Tag. „Was machst du heute, Mama?“ „Ach, ich glaube, ich muss endlich mal wieder staubsaugen, sonst bekommen wir am Ende noch Kakerlaken.“ Die Mädchen schauten mich irritiert an. Und meine zweijährige Josefine bemerkte: „Mama, du bist eine Putztante.“

 

 

 

 

 

 

 

 

2 Kommentare zu „Putztante

  1. Wie, mein Kaffee schmeckt komisch?? Ich überlass die Wartung des Kaffeeautomatendings meinem Mann. Ist also seine Verantwortung, wenn dir nach einem Besuch bei mir blümerant zumute ist 🙂

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