Heute bin ich zu müde, um mir eine Überschrift auszudenken…

“Mama, heut war so ein schöner Tag und jetzt bist du sooo schimpfig!”

Seit meine Kinder beide sprechen können, hat sich das mit der Kindererziehung irgendwie verkompliziert. Früher war ich hier während des Tags die Alleinherrschende. Auf dem Wickeltisch habe ich lustige Monologe geführt, mein Baby hat dankbar vor Freude gegurrt. Ich habe lange, ruhige Spaziergänge machen können, ohne dass ich in eine Diskussion darüber verwickelt wurde, ob der Traktor auf dem Feld grün oder rot oder lilagescheckt ist. Der Brei wurde kommentarlos vertilgt. Und das Zubettgehen lief (meistens) schnell und komplikationslos ab.

Heutzutage fliegen mir Worte entgegen. Worte der Zuneigung. Worte des Widerstands….und davon sehr viele. Fröhliche Finger- und Singspiele auf dem Wickeltisch? Von wegen. Ich habe neuerdings ein kreischendes, um sich schlagendes Kleinkind zu bändigen und bin froh, wenn der Windelinhalt IN der Windel bleibt. Beim Essen wird über jedes Maiskorn verhandelt: “Fine mögen nicht, BÄH! Fine jetzt Nachtisch!!!”

Und das Zubettgehen erst! Das lässt selbst einen Kriegsunterhändler alt aussehen.
“Fine, ich mach jetzt das Licht aus.”
“Nein, Fine trinken!!”
Ich reiche ihr zähneknirschend einen Becher Wasser. “So, jetzt mach ich aber echt das Licht aus, mein Schatz.”
“NEIN, FINE  ANGST, FINE ANGST!!!”
“Aber ich lass doch das Nachtlicht an!”
“NEEEEIN, Achtlich AUS!!”
“Willst du deine Puppe zum Schmusen?”
“Nein, Buch!”
“Das Buch hier?”
“NEIN, Fine suchen selber aus!!”
Und so geht es lustig weiter, bis ich letztendlich rotweintrinkend auf dem Sofa lande und Armin das Kriegsgebiet überlasse.

Das Muttersein fällt mir zurzeit schwer. Ich habe das Gefühl, es besteht hauptsächlich aus Machtkämpfen, Diskussionen und Schuldgefühlen, weil ich zuviel schimpfe und so wenig Erfolg mit Grenzensetzen habe. Vielleicht bin ich nur ein heilloser Kontroll-Freak. Vielleicht bin ich aber auch ein Mensch, der selbst gerade an seine Grenzen kommt. Wenn dieser Punkt erreicht ist, dann halte ich inne. Und frage mich, wie ich einen Perspektivwechsel hinbekomme. Das ist nämlich der einzige Weg für mich, um aus dieser Spirale aus Schimpfen, Unzufriedenheit, Schuldgefühlen und Müdewerden hinauszufinden.

Mein Perspektiv-Wechsel ist immer, immer die Dankbarkeit. Da ist einerseits die oberflächliche, offensichtliche Dankbarkeit, die sich meistens aus dem Schlecht-Ergehen anderer Leute ergibt. Gut, dass ich nicht wie xy mit Krebs im Krankenhaus liege! Gott sei Dank haben wir keine Eheprobleme wie die Familie xy!

Ich will aber die tiefergreifende Dankbarkeit, die unabhängig von äußeren Umständen ist! Eine, die nicht von dem Leid anderer genährt wird.

Ich will Dankbarkeit als Grundherzenshaltung. Ich will Dankbarkeit atmen und leben. Ich muss Dankbarkeit üben. Um solche Tage wie heute nicht irgendwie zu überleben, sondern bewusst zu erleben. Um widrigen Situationen entspannter begegnen zu können, denn ich glaube, dass in einem dankbaren Herzen Groll und Ungeduld weniger Platz finden.

Die nächsten sieben Tage will ich jeden Tag zehn Dinge auflisten, für die ich dankbar bin und in denen ich bewusst den Segen Gottes sehe.

Tief durchatmen nach diesem Tag und los gehts: 

  1. Unser Krabbelcafe und die Frauen dort, denen ich heute morgen mein Herz ausschütten durfte. Und die ich im Gegenzug wieder ein bisschen besser kennengelernt habe.
  2. Weinberge im Herbstnebel
  3. Amelie, die beim abendlichen Fernsehschauen ihre kleine Schwester im Arm hielt
  4. Überbackene Avocado mit selbstgemachter Chilisauce, Limettensaft und Parmesan
  5. Das Lob von Amelie beim Mittagessen: Das hast du gut gekocht, Mama! (Nicht die Avocado, sondern die Fischstäbchen….)
  6. Der Anruf einer Freundin, die mir ehrlich ihre Not geschildert hat und der ich ein bisschen meiner Zeit schenken durfte
  7. Brennende Kerzen am Fenster, während draußen der Regen fällt
  8. Siesta mit schnurrender Katze
  9. Kuscheln mit Josefine nach der anstrengenden Zubettgeh-Verhandlung
  10. Mein Mann, der mir wie jeden Abend mit den Mädchen geholfen hat

“Sometimes”, said Pooh, “the smallest things take up the most room in your heart.”

 

 

4 Kommentare zu „Heute bin ich zu müde, um mir eine Überschrift auszudenken…

  1. Hi Veronika,
    dieser Eintrag tut gut, kann genau nachfühlen wie man sich fühlt, als “Mama”. Danke für die Gedankenanregungen!
    Love Janet

  2. Darauf muss ich einfach antworten…dein Text hätte von mir stammen können, wenn ich denn ein “Schreiberling” wäre. 😉 Meine 2 sind ja 2 und 4 J. und ich erkenne sovieles in deinem Erleben wieder…und gestern nacht hatte ich diese Eingebung: schreibe 3 Dinge täglich auf, für die du dankbar bist…(usw. siehe dein eigener Text…ähnl. Gedanken)…und wenn ich dann, wie heute überlege, fallen mir glücklicherweise auch mehr als nur 3 Dinge ein. 🙂
    Bin gespannt wie du das fortan erleben wirst.
    Viel Kraft auf deinem Weg und einen guten Weinvorrat. 😉
    Laß mich raten…rot, oder? 🙂

    LG Maike

  3. Im Winter rot, im Sommer weiß 🙂 Will aber nicht als Alki rüberkommen!! Ich genieße nur ab und zu einen netten roten Australier.
    Es tut gut zu lesen, dass es anderen Müttern ähnlich geht. Wir sind nicht alleine 🙂

  4. Keine Sorge..du kommst doch nicht als Alki rüber!
    Scheint doch eher ein Genusstropfen zu sein! 🙂
    Bei mir ist es allerdings immer der Pfälzer Wein…hab ein Lieblingsweingut, von dem wir es uns dann sogar schicken lassen. 😉

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