Die Tage mit zwei Kindern vergehen wie im Flug. Und zwar nicht wie in einer gemütlich vor sich hinbrummenden Cessna, sondern wie in einem Raketengeschoss, an dessen Bord Rage Against The Machine spielen. An manchen Tagen muss ich mich regelrecht anstrengen, mich zu erinnern, was gestern, den Tag davor und den Tag davor war. Also fasse ich mal für den an einem Mutteralltag interessierten Leser und für mein zersiebtes Gedächtnis zusammen:
Eigentlich startet der Tag schon gegen 5 Uhr. Und zwar punktgenau mit Josefines Jammern. Sie ist in ihrem morgendlichen Jammern recht dezent, aber es findet trotzdem seinen Weg in meinen verschlafenen Gehörgang. Also nehme ich meine Tochter in den Schwitzkastengriff (hört sich brutal an, liebt sie aber), und so schlummern wir dann noch mal ein bis zwei Stunden.
7:30 Uhr Endgültiges Erwachen. Mein Ärmel ist speicheldurchtränkt, manchmal auch mit kleinen Milchbröckchen durchsetzt, was einen interessanten sauren Geruch verströmt. Hmmm. So kann der Tag beginnen. Nanosekunden später hüpft Amelie aufs Bett mit einem ihrer Bücher im Arm. “Mama, lesen.” Und wenn ich nicht sofort reagiere: “MAAAMAAAA, LESEEEEN!!” Ich fahre meine Multitaskingfähigkeiten hoch, stille Josefine, lese Amelie ein Buch vor und versuche krampfhaft meine rotgeäderten Augen offen zu halten.
7:45 Uhr Stereowickeln und -anziehen. Das klappt mittlerweile prima. Außer wenn Amelie gar keine Lust hat und a) lieber ihre Puppe wickelt oder b) mit hüpfenden Locken durchs Haus rennt und ich sie fangen soll. Niemand hat mir je versprochen, dass Kinderaufzucht einfach ist.
8:00 Uhr Frühstück. Zum ersten Mal an diesem noch fast jungfräulichen Tag habe ich ein paar Sekunden für mich und meinen Kaffee, während Amelie neben mir ihren Joghurt schlabbert und Josefine zufrieden in ihrer Wippe sitzt. Dann schweifen meine Gedanken ab zu maledivischen Traumstränden, oder zu Angelina Jolie mit ihren 31 Kindern, dem Stall voller Nannies, Köche, Personal Trainers und Visagisten. “Amelie Kacka muss!” Und so werde ich nach kurzer Träumerei wieder in die Realität zurückkatapultiert.
8:30 Uhr Duschen. Ja, und zwar mich! Ich!darf!duschen! Dazu schiebe ich Josefine im Stubenwagen ins Bad. Sie steht total auf das Duschgeräusch und pennt dabei jedes Mal ein. Schwieriger ist das Unterfangen, Amelies Zähne putzen zu wollen. Da muss jedes Mal die böse Drohung her, dass Karius und Baktus ihren Zähen ganz ganz fieses Aua machen werden, wenn sie sich weigert. Bringt aber auch nicht immer was. Ich habe den leisen, unheimlichen Verdacht, Amelie durchschaut schon langsam unsere Erwachsenenflunkereien. Na dann viel Spaß, Osterhase und Christkind!
9:00 Nach einer Turbodusche fühle ich mich endlich für den vor mir liegenden Tag gespornt und gestiefelt. Ich nutze Josefines Badezimmerschläfchen und wirbele mit Putzlappen, Staubsauger und Dreckwäsche durchs Haus. Oh, da rieche ich etwas höchst Verdächtiges. Amelies Androhung beim Frühstück hat sie in die Tat umgesetzt. Ich wickele und sinniere dabei über die Genfer Menschenrechtskonventionen.
10:00 Uhr Stillen und Vorlesen.
11:00 Uhr Jetzt aber ruckzuck Kochen. Dank meiner Kochliste geht das tatsächlich immer ruckzuck. Allerdings hat sich unser Speiseplan mit Amelies Entwicklung ihrer Geschmacksknospen einer Wandlung unterzogen. Nix mehr mit Sushi, Gamberi alla Venezia oder Artischocken-Risotto. Stattdessen: Fischstäbchen, Kartoffelbrei, Pfannkuchen, Pizza. Gut, dass Josefines Gusto nur auf Muttermilch fixiert ist. NOCH!
12:00 Uhr Alle Mann …pardon Mädchen..antreten zum Stereowickeln! Dann heißt es laut Amelie: Papa schläft (das sollte sie mal seinem Arbeitgeber Kaufland unter die Nase reiben!), Mama schläft (hahaha! Kam bei diesem hohlen Lachen gerade die Ironie rüber?), Josefine schläft (hmm, mal sehen…), Amelie schläft, Gulla schläft (Amelies Puppe), Muffin schläft (unsere Katze).
13:00 Uhr Jaaa, an manchen Tagen klappt Amelies Schlafszenario sogar. Ich kuschele mich mit Josefine auf die Couch (mit dem hilfreichen Schwitzkastengriff), während Amelie in ihrem Bett schläft. Irgendwann rappele ich mich hoch, in der Hoffnung, dass Josefine weiterschlummert. Das ist aber in 99 Prozent der Fälle nie der Fall. Egal wie leise und unauffällig ich mich auch entferne. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mich einfach an einen anderen Ort beamen. Zum Beispiel in die Küche. Zur Kaffeemaschine.
14:30 Uhr Alle wach! Bis auf Muffin. Die würde auch nach einem atomaren Angriff auf Waldbach weiterschlafen. Stopp, stimmt nicht. Dann würde sie in den Schlaf, der auch als ewiger bekannt ist, fallen.
15:00 Uhr Nachmittagsprogramm. Das besteht wahlweise aus Kneten, Einkaufen bei DM (“Amelie mit, Kekse kaufen!”), Spazierengehen mit Bobbycarfahren und Hühnerfüttern, Vorlesen (Klappe, die 11.), oder Langeweilebacken. Langeweilebacken? Ja, das gibts hier bei den Smoors öfters. Wenn wir schon alle Programmpunkte abgehakt haben und trotz allem noch soooviel Zeit bis zum Abendessen ist, dann backen wir. Cookies, Apfelkuchen, Bananenbrot, Zimtschnecken.
17:00 Uhr Mal wieder Stillen. Jetzt kommt der anstrengendste Teil des Tages. Alle werden müde und quengelig. Auch Mama. Aber die darfs nicht zeigen und muss sich jetzt noch bis ca 20:00 Uhr zusammenreißen. Das nennt man Selbstregulation. Können Kinder noch nicht. Und leider auch einige Erwachsene nicht.
18:00 Uhr “Papa, Papa, Paaappaaaa!” so Amelies Freudenschrei, sobald draußen ein Mercedesmotor ertönt. Armin ist da. Endlich Verstärkung. Endlich ein Erwachsener, mit dem ich Themen abseits von Kackawindeln, Duplofiguren und Keksen erörtern kann. Wir essen zu Abend, oft mit einer heulenden Josefine auf dem Arm. Sie kann jetzt nicht mehr und muss alle aufgenommenen Reize des Tages verarbeiten. Da muss man cool bleiben. Da muss man durch!
19:00 Uhr Die Smoorsche Taskforce bringt die Mädchen ins Bett. Ich kümmere mich um Josefine, die zwar noch keine Zicken wegen Zähneputzen und Schnuller veranstaltet, die uns aber ein 10-minütiges Kreischkonzert vom Allerfeinsten bietet. Der Tinnitus wartet schon um die Ecke… Armin bändigt unsere 2-jährige, die ihn aber oft mit perfiden Verzögerungstaktiken um den Finger wickelt: “Amelie Milch haben”, “Amelie Aua hat” usw.
20:23 Uhr Endlich Ruhe. Endlich Couch. Die zwei Babyphones auf dem Couchtisch erinnern uns aber daran, dass wir trotzdem weiterhin auf Abruf bereitstehen. Egal. Jetzt ein Gläschen Wein. Eine Folge DSDS (zu mehr reicht meine Aufmerksamkeitsspanne zur Zeit nicht mehr) und um 21:30 Uhr ins Bett.
Tja, dieser Tag ist aber noch laaange nicht zu Ende. Der Mamajob geht bis in die Nacht bzw. bis in die frühen Morgenstunden weiter. Wie ein tapferer Soldat entere ich die Nacht, lasse mich alle 2 Stunden aus dem Schlaf reißen, wiege unser Baby im Arm, kämpfe mich zurück in den Schlaf (immer mit einem halben Ohr am Kind) und träume dann fürchterlich wirres Zeug von Dieter Bohlen, der aus atomar verseuchter Knete Apfelkekse formt und diese an unsere Muffin verfüttert.