Ich bin geflohen, raus aus dem Waldbacher Einerleigrau, rein ins Sendelbacher Familienleben. So hatte Armin dann auch mal das Vergnügen, nicht täglich den Windeleimer entleeren und eine von Hormonen geplagte Ehefrau besänftigen zu müssen. Nein, er konnte sich ganz dem Langearbeiten und seinem Laptop widmen können. Aber ob das tatsächlich mehr Spaß bedeutete? Hmmm, ich bezweifle es. Zumindest seine 3-4 täglichen Anrufe bei meinen Eltern ließen Zweifel in mir aufkommen, ob er seine neu gewonnene Freiheit tatsächlich genoss. Ich hingegen war selig, Muttis Kochkünste und Vatis Schokoladenvorräte ausnützen zu dürfen.
In meiner Sendelbacher Woche überfiel mich aus dem Hinterhalt – ganz urplötzlich – ein unbändiger Nestbautrieb. (Bei Amelie setzte der erst drei Wochen vor der Geburt ein. Mit lustigen Nebenwirkungen: Hamsterkäufe bei Baby-One, Weihnachtsdeko im Garten und Akkordbildermalen fürs Kinderzimmer). Und der Nestbautrieb sah diesmal so aus: Ich muss nähen lernen!!! Dazu seien ein paar erklärende Worte geschrieben: Das Schulfach Handarbeit jagte mir in regelmäßigen Abständen den Angstschweiß auf die Stirn. Meine Nähte waren krumm und schlampig, nie strickte ich einen Schal zu Ende (noch Jahre später fand ich in den Untiefen meiner Kommoden mehrere angefangene Schals in schicken 80er-Jahre-Farben) und meine Noten waren jenseits von Gut. Oder Befriedigend. Kein Wunder, dass ich Handarbeiten gegenüber eine innere Abscheu entwickelte. Meine Mutter war gelernte Schneiderin. All diese Faktoren trugen nur dazu bei, dass ich Handarbeiten als extrem uncool empfand.
Und nun das! Ich schleppte Bücher übers Patchworken an und fing an, mich durch die Stoffreste meiner Mutter zu wühlen. “Haaach, dieses Rotkarierte! Und das entzückende Blumenmuster!” War das tatsächlich ich?? Ich mit den unfertigen Schals und schiefen Häkelgardinen? Ja, ich muss es zugeben. Ich verbrachte fast Tag und Nacht über der Nähmaschine, dem unwilligen Monster, das ich zu bezähmen versuchte. Ich brütete über Muster, Knöpfe, Bänder. Und das Ergebnis haute mich schlichtweg um. Ein entzückendes Patchworkkissen fürs Baby und ein paar Herzen für meine Deko. Das zeigte mir mal wieder: Ich kann alles, wenn ich es nur wirklich will (und wenn Mutti im Hintergrund die schiefen Nähte wieder auftrennt und sie ordentlich zusammennäht). Das nächste Projekt: eine Jeans-Patchworkdecke mit aufgenähten Cupcakemotiven fürs Baby. Tschaka!
Noch ein Wort zum Wetter, auch wenn das Thema dieser Tage stark überstrapaziert ist: der Regen hat auch sein Gutes. Jaja! Denn er bescherte meinen Neffen und mir eine überbordende Pilzernte. Die beiden waren nämlich ebenfalls zu Besuch und fragten, ob ich mit in den Wald käme, Pilzesammeln. Nun, so eine Frage muss man mir nicht zweimal stellen! So stapften wir gemeinsam mit Amelie tapfer über Äste, Wurzeln, Brombeerranken. Ich habe schon lange nicht mehr über die faszinierende Vielfalt von Pilzen gestaunt, und hier präsentierte sie sich in aller Pracht. Violett, orange, hellgelb, sattbraun leuchteten uns die leckeren Gewächse entgegen. Dank des umfangreichen Fachwissen Bennis, meinem Chefneffen, konnten wir gleich alle giftigen Exemplare aussortieren. Und ernteten einen Korb voll Steinpilze, Maronen, violetten Trichterdingspilzen, Parasolpilzen, Birkenröhrlingen und einer Krausen Glucke (was für ein geiler Name ist das bitteschön?) Dieser Pilz sah übrigens aus wie ein Haufen zusammengepappter Nudeln, die man zu lange im Sieb hat stehen lassen.
Die Sendelbacher Tage gingen viel zu schnell rum, und nun hat mich der Waldbacher Alltag wieder. Aber Lichtblicke gibt es auch hier. So hat mich diese Woche meine Freundin Sina besucht und uns das letzte Kätzchen entführt. Ach, wie schön, diese abendlichen Weibergespräche und das Philosophieren über Gott und die Welt. Das hab ich mal wieder gebraucht!