Armin erzählt mir etwas über seinen Kaufland-Alltag beim Abendessen. Ich nehme ihn zwar wahr, ebenfalls seine Lippenbewegungen, aber seine Worte erreichen meine Ohren nicht. Nun darf man nicht meinen, ich wäre eine egozentrische, unaufmerksame Ehefrau (zugegeben, manchmal bin ich es doch): Denn in just diesem Augenblick tritt mir ein angehender Erdenbürger gehörig in meine Blase, die meistens überfüllter als ein südafrikanisches Fußballstadion im Weltcup-Finale ist. Neben dem unangenehmen “Uff-Autsch-Effekt” stellt sich eine ordentliche Portion Glücksgefühl bei mir ein. Endlich, ENDLICH meldet sich mein innerer Mitbewohner/ meine innere Mitbewohnerin! Armin blickt mich verwundert an – er glaubt wohl, ich hätte gerade einen Schlaganfall erlitten, denn meine Gesichtszüge sind mir entgleist. Als ich endlich aus meiner Schockstarre erwache, muss ich lachen und lasse Armin teilhaben. Er guckt wie ein zufriedener, satter Kater.
Ja, die Schwangerschaft sorgt für viele seltsame Momente, in denen ich mich und mein Innenleben nicht wieder erkenne. 19,5 Jahren lebe ich nun vegetarisch. Ich habe Fleisch nie vermisst. Nur den Geflügelsalat meiner Mutter, für den ich früher hätte morden können, und der auch heute noch in unregelmäßigen Abständen meine Träume heimsucht. So: Nun habe ich also meiner Tochter ein Schüsselchen Hähnchen mit Reis vorgesetzt, den sie auch bis zur Hälfte tapfer hinunterwürgt. Die andere Hälfte bleibt übrig. Und ich bin hungrig. Und eigentlich sehr sehr konsequent was meine Fleischverweigerung betrifft. Ich esse um das Hühnchen herum. Aber aus Versehen gerät doch ein Fitzel in meinen Mund. Oh. My. God! Meine Geschmacksknospen explodieren und tanzen Samba! Irgendetwas in meinen Schwangerschaftshormonen blockiert meine idealistische Weltanschauung und – schwupps- noch ein Stückchen vom toten Huhn landet in meinem Mund. Nun sind alle Dämme gebrochen und ich schaufel mir unkontrolliert den Rest rein. Wenn das meine Mutter gesehen hätte! Sie hätte vor lauter Glück und Triumph sofort begonnen, Zutaten für ihren Gefügelsalat zu schnibbeln.
So sehr ich in den ersten 3 Monaten von Übelkeit geplagt war, überfallen mich nun alle 2 Stunden Fressgelüste. Vergesse ich zu essen, rächt sich mein Körper augenblicklich mit Schweißausbrüchen und Zittern. Und dabei hatte ich mir vorgenommen, in dieser Schwangerschaft höchstens 10 bis 12 Kilo zuzunehmen. Wird wohl nix. Wunderbarerweise ist unsere Waage kaputt, so dass ich in dieser Hinsicht in gnädiger Unwissenheit verharre.