Magische Momente….

Diese Woche stand ich knöcheltief im Matsch meines Blumenbeetes und versuchte, Rosen zu beschneiden. Ich hab ja keine Ahnung wie man so etwas macht! Ab und zu trat ich einen Schritt zurück, begutachtete kritisch mein Werk und war ganz zufrieden.

Eine alte Frau blieb am Zaun stehen. Sie war schätzungsweise schon weit über 80. Und wie alte Leute manchmal so sind: sie schütten einem ungefragt ihr Herz aus (was mich ehrlich gesagt immer nervt). Aber das, was sie mir hier zwischen Matsch, Rosen und Zaun mitteilte, war mehr als nur freundliches Wettergeplänkel. Sie hatte auch mal ein Kind, einen Sohn. Der starb mit 21, als er ein Starkstromkabel verlegte. Wie kann man den Verlust eines Kindes, des einzigen, beschreiben? Vielleicht mit der Traurigkeit und Einsamkeit, die aus den Augen der Frau sprachen? Dass Zeit nicht immer alle Wunden heilt? Ich war ziemlich hilfos, wusste nicht genau,was ich sagen sollte, wollte keine Floskeln benutzen und tat’s trotzdem….

Später am Tag: Amelie und ich machten einen Spaziergang. Und trafen eine Frau mit ihrer kleinen Tochter, die ich beide vom Sehen kenne. Wir kamen ins Gespräch und ich unsensibler Vollpfosten fragte sie, ob ihre Kleine denn Geschwister hätte. Ein ähnlicher Ausdruck wie einige Stunden vorher bei der alten Frau huschte über ihr Gesicht. “Leider nein. Zwei Fehlgeburten. Jetzt hab ich’s aufgegeben, der Schmerz ist zu groß.” Wieder Hilflosigkeit, wieder doofe Mitleidsfloskeln.

Ich war überzeugt, dass diese Begegnungen und unerwartete Offenheit keine Zufälle waren. Denn ich war an diesem Morgen grantig, genervt, unleidlich: Amelie kam einige Male in der Nacht, sie war anstrengend, klettig. Ich selbst war erkältet und müde. Und versank dabei in Selbstmitleid: Mir ging es ja sooo schrecklich. Niemand litt an diesem Tag so wie ich!!!!

Und dann schickt mir Gott diese zwei Menschen über den Weg um mir Weichei zu zeigen: Hey Vroni, bleib mal auf dem Teppich! Alles nur eine Frage der Blickrichtung! Sei dankbar für das, was du hast!

Diese Lektion saß. Und die letzten Tage war ich dann auch wie ausgewechselt. Trotz Unterbrechungen in der Nacht und meiner Rüsselseuche genieße ich jede Stunde, jedes Gespräch mit Armin, jedes Lachen von meiner Tochter, jeden Sonnenstrahl auf meinem Gesicht!

Und in meinem Überschwang beschloss ich dann gestern, endlich mal wieder mein Fotolabor in Betrieb zu nehmen. Das war fantastisch! Endlich wieder Chemikalien einatmen (meine Hände riechen jetzt noch nach Fixierer und ich schnüffel gerne heimlich daran), endlich wieder im düsteren Rotlicht vor der Entwicklerwann stehen und dabei zuzuschauen, wie auf einem banalen Blatt Fotopapier plötzlich das Gesicht meiner Tochter erscheint, endlich wieder in einer Welt versinken, die ganz mir gehört. Das sind magische Momente!

Und magische Momente sind überall, man muss nur die Augen aufmachen…..

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