Von Muscheln und The Gap

Cape Ann (Massachusetts) – Wells Beach (Maine)

“Lust auf frittierte Muscheln?” So lautet meine Anfrage an Armin und meinen verwöhnten Gaumen. Aber da ist kaum noch Platz zwischen Nachos mit Salsa und den Chocolate Chip Cookies, die gerade in unseren Mägen gären.

Wir sind gerade unterwegs auf dem Highway 1 die Küste entlang. Eines der hartnäckigsten Klischees über die USA ist, dass sich die Amis nur von Fast Food ernähren und man kaum eine andere, gesündere Alternative findet. Das trifft auch zu, reist man auf der Interstate, wo sich ein Burgerschuppen an den nächsten reiht. Wir aber fahren auf dieser kleinen Landstraße, wo man an jeder Ecke frischen Hummer, frittierte Muscheln, Fischsuppe, Jakobsmuscheln und Farmgemüse direkt vom Bauernstand erhält. Das Meeresgetier – ist klar – hat noch vor ein paar Stunden fröhlich an Algen geknabbert und nichts von seinem Fritteusenschicksal geahnt. So frisch sind hier unsere Freunde aus dem Meer.

Aber Amelie schläft in ihrem Kindersitz, halten wir an, wacht sie auf. Das wollen wir nicht riskieren und lassen stattdessen ein uramerikanisches Panorama an uns vorüberziehen: Kleine idyllische Städtchen, in denen ich überall gerne Halt gemacht, in den Antiquitätenläden gestöbert und in einem altmodischen Candystore Fudge gekauft hätte. „Wenn wir irgendwann man in die USA ziehen sollten, dann will ich in Neuengland wohnen! Oder wir bauen uns so ein Holzhaus mit Veranda in Deutschland!!“

Nirgendwo an der Straße sehe ich hässliche, nur dem Zweck dienliche Häuser. Wir meinen, das liegt wohl daran, dass weder Krieg noch Abrisswahn der 60er und 70er Jahre hier gewütet haben. Stattdessen ist man sich hier sehr bewusst, dass sich die Architektur der Landschaft anpassen muss. Und so pflegt man das Erbe mit allergrößter Hingabe und das Ergebnis sind Orte, an denen man verweilen will….nein, wo man sofort hinziehen möchte!

In Kittery, Maine verweilen wir nicht, weil es dort besonders schön wäre. Sondern weil dort das Shangri-La der Shoppingsüchtigen liegt. Armin hat Mühe, mit mir Schritt zu halten, als ich im preußischen Schnellstechschritt das Gap-Outlet ansteuere. Irgendetwas passiert mit mir, wenn ich die Tür dieses Ladens durchschreite. Als säße dahinter ein Hypnotiseur, der mir suggeriert: „Dein Kleiderschrank ist leer, wir erfüllen dir jeden Wunsch hier, nimm einen Tragekorb und geh nicht eher, bis deine Kreditkarte glüht.“ Mit glasigen Augen greife ich nach dem Korb, in den der Grand Canyon passen würde und vergesse, dass ich Armin und Amelie im Schlepptau habe. Erst in der Umkleide, bei Kleidungsstück Nr. 19 höre ich ein mir bekanntes Quaken. Amelie! Meine Tochter! Ich rase hinaus, mir völlig egal, dass ich barfuß und nur halbbekleidet bin! Da kämpft Armin gerade mit unserer müden Tochter, die heult und im Gegensatz zu ihrer Mama null Gefallen am Shoppen findet. Egal, ich stopfe ihr hektisch eine Dinkelstange in den Mund und weiter geht’s. Vor dem Spiegel habe ich Tränen des Glücks in den Augen. Noch so eine Sache, die ich an Amerika LIEBE: alle Sachen passen. Sogar die drei Jeans. Und nicht nur passen, sie sitzen richtig gut, nichts zwickt oder quillt unansehnlich raus. (Und der Blick aufs Preisschild lässt mich fast ins Glücksdelirium fallen). WARUM gibt es das nicht auch in Deutschland?? Mode, die für jede Art von Frau gemacht ist?? Sitzen dort an den Schneide- und Designtischen Menschen, die Lust daran haben, Frauen mit Hosengrößen über 40 dahingehend zu manipulieren, dass sie glauben, sie seien fette Quallen?

Ein Stück südlich von Kennebunkport (wo der Sommersitz des Bush-Clans liegt) machen wir auf einem Campingplatz am Meer Halt. Die letzten Tage wurden wir vom Wetter richtig verwöhnt, da waren noch die letzten Nachwehen des Sommers mit Hitze und Schwüle zu spüren. Hier oben in Maine scheint zwar auch die Sonne vom stahlblauen Himmel, aber nachts wird es empfindlich kalt. Aber die Kälte bekämpfen wir mit Lagerfeuer und Ben and Jerry’s Icecream (wo gibt es sooo geile Eissorten, wo das Eis mit Waffelstückchen und Caramelcreme durchsetzt ist??).

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